Union-Nachwuchs denkt schon an Blockade: Merz nach Einigung mit der SPD unter Druck

vor etwa 2 Monaten

Blog Image
Bildquelle: NiUS

„Die neuen Megaschulden sind nicht nur in der Sache falsch – sie sind auch ohne jedes Entgegenkommen der SPD bei der Migration zustande gekommen. Es ist zum verrückt werden“, sagt ein CDU-Mann aus Nordrhein-Westfalen, der am Morgen nach der ersten Einigung der Koalitionsunterhändler um Friedrich Merz (CDU) auf ein neues Schuldenpaket seine Wut kaum unter Kontrolle halten kann.

„Ich habe dreimal Wahlkampf für Merz gemacht, und weiß gerade gar nicht mehr, warum“, ätzt ein Top-Mann aus einem unionsnahen Wirtschaftsverband. „Das ist ein Gemischtwarenladen, der die Inflation wieder anheizen dürfte“, sagt Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-nahen Wirtschaftsrats über das 500-Milliarden-„Sondervermögen“. „Die Verlockung wird riesig sein, alle möglichen Investitionen in das 500 Milliarden Sondervermögen zu schieben und, zwecks Koalitionsfrieden, vermeintliche Haushaltsspielräume für Sozialgeschenke zu nutzen – Geschenke, die sich Deutschland schon lange nicht mehr leisten kann und die zugleich den Faktor Arbeit weiter verteuern.“

Vor allem an der Unionsbasis herrscht nach diesem ersten Verhandlungsergebnis blankes Entsetzen. „Ich habe im Wahlkampf erzählt, dass wir einen Politikwechsel brauchen, kein rot-grünes weiter so. Ich kann mich doch bei meinen Wählern nicht mehr sehen lassen“, sagt eine CDU-Frau aus Thüringen, die vor allem fürchtet, dass die Werte der AfD künftig durch die Decke gehen. „Die uns noch gewählt haben, sind enttäuscht, und die AfD-Leute fühlen sich bestätigt“, lautet ihr Fazit.

Das Verhandlungsteam um Merz und SPD-Chef Klingbeil traf sich heute zu Gesprächen bei Noch-Kanzler Olaf Scholz

Bei der Schalte mit der Unionsfraktion versuchte CDU-Chef Friedrich Merz den Kompromiss am Mittwoch nach Angabe von Teilnehmern mit der veränderten Weltlage zu rechtfertigen, die vor allem bei der Verteidigung ein Zeichen der Stärke verlange. Bei den Mitteln für die Ertüchtigung der Bundeswehr haben die meisten CDU/CSU-Leute noch am wenigsten Probleme. Das sein eine „Carte Blanche“ gegen Russland, heißt es.

Viel heftiger ist der Widerstand gegen die 500 Milliarden für Infrastruktur, Bildung, Bahn und andere Investitionen. In der „Jungen Gruppe“ der unter-35-Jährigen wird schon mit Widerstand gedroht, wenn die Schulden für linke Konsumprojekte draufgehen sollen, die kommende Generationen bezahlen müssen. Die Gruppe hat 22 Abgeordnete, die neue CDU/CSU-SPD-Koalition hätte lediglich eine Zwölf-Stimmen-Mehrheit. Junge-Union-Chef Johannes Winkel (CDU) nannte das Schuldenpaket im Deutschlandfunk einen „harten Schlag“. Es sei „parteipolitisch eine deutliche Niederlage für die Union“. Er sehe dafür „offen gestanden“ keine Gegenleistung.

Eine heftige Attacke gegen Merz direkt fuhr nach NIUS-Informationen der frühere Unionsfraktionschef Ralf Brinkhaus (CDU), der für Merz seinen Posten räumen musste: „Friedrich, ist das der Preis, den du zahlen musstest? Wir haben im Wahlkampf das Gegenteil erzählt!“

Ralf Brinkhaus ist sauer auf CDU-Chef Merz: „Wir haben das Gegenteil erzählt!“

Diejenigen, die im Sinne der Parteispitze unterwegs sind, den Kompromiss schmackhaft zu machen, weisen darauf hin, dass es sich ja zunächst lediglich um einen „Möglichkeitsrahmen“, der auf zehn Jahre gestreckt lediglich 50 Milliarden pro Jahr bedeute. Jetzt komme es darauf an, dass die Union den Finanzminister stelle (gehandelt wird u.a. Jens Spahn) und dass bei der Umsetzung des Schuldenpakets darauf geachtet werde, dass das Geld für wirkliche Investitionen in Infrastruktur ausgegeben und keine SPD-Lieblingsprojekte bedient werden. Und natürlich müsse dem jetzigen Schuldenpaket als Gegenleistung die volle Unterstützung der SPD bei der Migrationsbegrenzung, der Wirtschaftsankurbelung und Sozialreformen folgen. Es komme auf das Gesamtpaket an, heißt es. Eine ganze Menge Bedingungen und Wünsche, die in der politischen Realwelt nur selten erfüllt werden.

Die für später in Aussicht gestellte grundsätzliche Reform der Schuldenbremse sieht man in der Union gelassen. Wenn die Koalition erst einmal steht, brauche sie für die nötige Zweidrittelmehrheit die Stimmen der Linken. Das Projekt sei so gut wie tot, heißt es. Viel mehr Kopfzerbrechen bereitet den Strategen in der Union die Tatsache, dass die Union bei dem Schuldenpaket massiv in Vorleistung gegangen sei, obwohl die Koalition noch gar nicht stehe. Wenn das Ganze erst einmal im Grundgesetz stehe, stehe das Geld jeder folgenden Regierung zur Verfügung – im schlimmsten Fall sogar nach Neuwahlen der AfD.

Jens Spahn (CDU) und CSU-Kollegin Dorothee Bär am Abend des Merz-Wortbruchs im Bundestag

Die Idee, mit der nötigen Zustimmung des Bundesrates zu warten, bis Kanzler und Minister vereidigt und im Amt sind, scheitert daran, dass die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) derzeit Bundesratspräsidentin sei und die Abstimmung jederzeit auf die Tagesordnung setzen könne. Die Mehrheiten für das Paket seien gleichwohl auch dort noch nicht sicher, weil auch in der Länderkammer für Grundgesetzänderungen eine Zweidrittelmehrheit von 46 Stimmen nötig ist, für die zum Beispiel die FDP-Zustimmung aus Rheinland-Pfalz oder Sachsen-Anhalt nötig wären.

Mindestens ebenso unsicher ist, ob es im Bundestag überhaupt eine Mehrheit für die Beschlüsse gibt. Immerhin sind im alten Bundestag, der dazu noch einmal zu einer Sondersitzung einberufen werden soll, viele Abgeordnete, die bei der Bundestagswahl ihr Mandat verloren haben und mutmaßlich wenig geneigt sind, einer Nachfolgeregierung zu finanziellen Spielräumen zu verhelfen.

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von NiUS

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von NiUS zu lesen.

Weitere Artikel