Aus Angst vor grünem Zeitgeist: Union und SPD kneifen bei Atomkraft-Debatte

vor 23 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Auch wenn es in der Union durchaus Politiker gibt, die der Kernenergie wohlwollend gegenüberstehen, vor allem in der CSU, spielt das Thema bei den Koalitionsverhandlungen keine Rolle. Die SPD hält sich an den Beschluss, den ausgerechnet eine CDU-Politikerin als Reaktion auf die Katastrophe in Fukushima durchsetzte. Die damalige Bundeskanzlerin -Angela Merkel verfügte den Ausstieg, der im April 2023 nach einer dreieinhalbmonatigen Verlängerung auch vollzogen wurde.

Das war ein Fehler, sagen viele Bürger in Deutschland. Laut Umfragen hätten sie nichts dagegen, wenn die Kernenergie in Deutschland eine Renaissance erlebte. Doch selbst die einstigen Betreiber wollen davon nichts wissen. Selbst wenn sie jetzt politische Rückendeckung bekämen könnte diese schon in der nächsten Legislaturperiode wegfallen, für den Fall, dass wieder ausgewiesene Kernkraftgegner eine Mehrheit bekommen sollten. Dabei gäbe es keinen besseren und billigeren Weg, die Stromerzeugung zu dekarbonisieren als die Ertüchtigung der sechs zuletzt stillgelegten Kernkraftwerke, so Kerntechnik Deutschland, ein Verein in Berlin, zu dem sich Befürworter der Kernenergie meist aus Unternehmen zusammengeschlossen haben, die noch in diesem Bereich tätig sind. Dazu gehören beispielsweise der Urananreicherer Urenco, das Entsorgungsunternehmen GNS und Nukem Technologies, aber auch die Kernkraftwerksbauer Framatome (Frankreich) und Westinghouse (USA). Die Kernkraftwerke könnten einen großen Teil der Braunkohlekraftwerke ersetzen, die besonders klimabelastend sind, und den Mehrbedarf durch die zunehmende Elektrifizierung des Verkehrs und des Heizens mit Wärmepumpen teilweise decken.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien, der die Abschaltung der Reaktoren kompensieren sollte, ist zwischen den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich verlaufen, wobei der Ausbau der Windenergie in Bayern besonders langsam voranschreitet. Auch der Ausbau der Stromleitungskapazitäten und des Übertragungsnetzes in Süddeutschland sind nicht so schnell vorangekommen wie geplant. Zudem fehlt es an Stromspeichern und technischen Möglichkeiten, grünen Strom effektiver zu nutzen, beispielsweise intelligente Stromzähler, mit deren Hilfe sich der Stromverbrauch in Zeiten verlegen lässt, in denen Strom im Überfluss erzeugt wird. Die Deckung des deutschen Strombedarfs erfordert daher fossile Energiequellen und Importe, darunter französischer Atomstrom. In Extremwetterlagen kommt der deutsche Strom oft zu mehr als 80 Prozent aus fossilen Kraftwerken.

„Unsere Stromkosten sind im internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig und bedrohen die Existenz unserer Wirtschaft“, so Kerntechnik Deutschland (KernD). “Es ist wirtschaftlich nicht mehr tragbar, eine Infrastruktur (Netz, Speicher und Backup) zu finanzieren und zu realisieren, die weitgehend auf erneuerbaren Energien basiert.“ Wenn der Anteil volatiler Energiequellen im deutschen Energiemix weiter zunehme, werde der Bedarf an Stromimporten oder selbst erzeugtem fossilem Strom noch steigen.

„Die Wiederinbetriebnahme von Kernkraftwerken in Deutschland ist eine pragmatische, wirtschaftliche und sozial sinnvolle Lösung“, heißt es. Japan und die USA zeigen, dass es machbar ist. Dort sind teilweise seit Jahrzehnten ruhende Kernkraftwerke nach einer Aufrüstung auf moderne technische Standards wieder in Betrieb genommen worden.

Die sechs deutschen Kernkraftwerke, die sich in unterschiedlichen Stadien der Stilllegung befinden, könnten innerhalb von drei bis für Jahren wieder ans Netz gehen. Jedes hat eine Leistung von rund 1400 Megawatt. Die Kosten schätzt Kerntechnik Deutschland auf ein bis drei Milliarden Euro pro Kraftwerk. Erdgaskraftwerke in der gleichen Größe kosten rund eine Milliarde Euro, allerdings sind deren Betriebskosten höher und sie emittieren große Mengen an Kohlenstoffdioxid (CO2), zumindest in den ersten Jahren. Denn nach und nach sollen sie, wenn die Politik deren Bau denn beschließt, mit immer höheren Anteilen Wasserstoff betrieben werden, der keine klimarelevanten Stoffe emittiert.

„Die Entscheidung über die Wiederinbetriebnahme von Kernkraftwerken liegt bei der neuen Bundesregierung, die die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen muss“, sagt Carsten Haferkamp, Geschäftsführer der Framatome GmbH, dem deutschen Zweig des französischen Unternehmens, und stellvertretender Vorsitzender von KernD. „Fest steht: Strom aus Kernkraftwerken ist eine wichtige Säule, um kurzfristig CO2-Emissionen zu reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft durch niedrige Stromkosten zu stärken.“

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