Unvereinbarkeitsbeschluss gefallen: Wie die Linkspartei Friedrich Merz zur Macht verholfen hat

vor etwa 3 Stunden

Blog Image
Bildquelle: NiUS

Mit Ach und Krach ist Friedrich Merz (CDU) zum Bundeskanzler gewählt worden. Dabei wurde der Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linkspartei über Bord geworfen. Aber man hatte freilich gute Gründe parat ...

„In so einer Situation muss man über Parteitagsbeschlüsse hinwegsehen.“ Mit diesem Satz ebnete Serap Güler (CDU) bei Phoenix kurz vor dem zweiten Wahlgang den Weg für einen Tabubruch: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ließ sich ein CDU-Kanzlerkandidat mit Stimmen einer weit linken Partei zum Kanzler wählen. Die Nachfolgepartei der SED wurde Königsmacherin bei einer Partei, die einst auf Antikommunismus und Westbindung geeicht war. Dabei setzte sie sich über den geltenden Unvereinbarkeitsbeschlusses der CDU gegenüber der Linken hinweg.

Serap Gülers Zitat im Ganzen:

„Es ist ein Abwägungsprozess und in so einer Situation muss man eben auch über Parteitagsbeschlüsse hinwegsehen. Es geht nämlich um die Zukunft des Landes. Es geht nicht um persönliche Befindlichkeiten. Man muss auch die Entscheidungen der Partei und die Interessen der Partei hinten anstellen, weil es um nichts Geringeres geht als um die Zukunft unseres Landes.“

Der brisante Teil des Interviews kommt ab 3:27 min.

NIUS-Reporter Julius Böhm kritisierte, dass es nichts daran zu feiern gibt, wenn man Grundsätze über Bord wirft:

Die ehemalige CDU-Politikerin Sylvia Pantel kommentierte auf X:

Unvereinbarkeitsbeschluss ade – Die Union fällt endgültig ins linke Lager. Die Wahlfarce um Friedrich Merz offenbart das ganze Ausmaß der ideologischen Entkernung der Union. ... Die Brandmauer zur Linkspartei – einst ein Markenzeichen der CDU – ist damit nicht nur porös, sondern eingerissen. Wer sich heute mit der Linken arrangiert, wird sich morgen auch für weitere gemeinsame Projekte nicht zu schade sein.

Sie schließt mit scharfer Kritik: „Wer bürgerliche Politik will, wird sie von dieser CDU unter Merz nicht mehr bekommen.“

Entsprechend zeigt sich auch Klimaaktivistin Luisa Neubauer (Grüne) sehr erfreut. Für sie war das offenbar der Abschluss einer Linkswende, mit der sie gut leben kann:

Merz gewinnt die Bundestagswahl und lockert umgehend die Schuldenbremse, Spahn wird Fraktionsvorsitzender und stimmt heute gemeinsam mit DIE LINKE, wenn das der Politikwechsel ist dann ok.

Der designierte Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) schließt auch für künftige Fälle eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei im Bundestag nicht aus – zumindest dann, wenn es erneut um das Zustandekommen einer Zweidrittelmehrheit geht. Im Gespräch mit RTL/ntv erklärte er, dass solche Mehrheiten im aktuellen Parlament nur zustande kommen könnten, wenn Union, SPD, Grüne und Linke zusammenarbeiten. Das sei keine neue Erkenntnis, so Dobrindt. Deshalb sei es am Dienstag auch folgerichtig gewesen, bei der Linken anzurufen, um den zweiten Wahlgang zur Kanzlerwahl noch am selben Tag zu ermöglichen.

Alexander Dobrindt (CSU) sieht keine Zukunft im Unvereinbarkeitsbeschluss.

Für die Zukunft gelte: „Da, wo Zweidrittelmehrheiten gebraucht werden, wird man das auch in Zukunft noch tun müssen.“ Das bedeutet: Für die Linkspartei ist nun ein Pragmatismus möglich, der für die AfD stets abgelehnt wurde. Denn um eine Zweidrittelmehrheit zu erreichen, seien Gespräche erforderlich. „Egal, ob einem gerade die politische Farbe an dieser Stelle besonders passt“, so Dobrindt.

Das sorgte für reichlich Gesprächsstoff, der nicht ohne Sarkasmus auskam. So kommentierte der Journalist Gordon Repinski die neue Lage auf X ironisch:

„Es ist fast ein Geschenk für die Union, dass der Unvereinbarkeitsbeschluss heute durch den gemeinsamen Antrag mit der Linken zur Fristverkürzung quasi nebenbei und ohne Zeit für große Debatten erledigt wird.“

Weitere Details zum Bruch mit dem Unvereinbarkeitsbeschluss lieferte Michael Bröcker (ThePioneer):

„+++ Unvereinbarkeitsbeschluss zur Linken ist de facto ausgesetzt. CSU-Minister Dobrindt hatte als Einziger in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine Handy-Nummer der Linken-Führung und verhandelte mit Janine Wissler kurzerhand die Fristverkürzung.“

Die designierte Forschungs- und Technologieministerin Dorothee Bär (CSU) gab sich zur Zusammenarbeit mit der Linkspartei gelassen. Sie findet, dass das „heute eine reine Formalie“ war. Es sei nicht um Inhalte gegangen, sondern darum, ob unser Land stabil stabil sei oder nicht. Dass Union, SPD, Grüne und Linke gemeinsam für die Verfahrensänderung gestimmt hätten, bedeute nicht, dass die Linke Friedrich Merz ins Kanzleramt gewählt habe.

Kurios wurde es bei Tilo Jung: Der Journalist schrieb auf X, dass es einen Deal zwischen Linken und Union gebe, wonach der Unvereinbarkeitsbeschluss auch offiziell aufgehoben werde. Er zog seine Aussage aber dann wieder zurück.

Wie auch immer es um die Existenz eines solchen Deals aussieht, sicher ist: Merz' Kanzlerschaft wurde teuer erkauft. Sie hat einem ziemlich linken Koalitionsvertrag zugestimmt, Wortbruch begangen und nun fiel auch noch die „Brandmauer“ zu der Mauerschützenpartei.

Lesen Sie auch: Die drei Gründe für das Merz-Desaster

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von NiUS

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von NiUS zu lesen.

Weitere Artikel