
Statt sich unmissverständlich mit Israel zu solidarisieren, windet sich die Bundesregierung in der Frage des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen Premierminister Benjamin Netanjahu.
„Er müsste damit rechnen, festgenommen zu werden“, so SPD-Außenpolitiker Nils Schmid am Freitagmorgen im Deutschlandfunk. Haftbefehle würden ausgeführt, das gebiete „der Respekt vor der Arbeit des IStGH, allgemein auch der Respekt vor dem Völkerrecht“. Ob die Entscheidung auf Betreiben des Chefanklägers Karim Khan gerechtfertigt sei? „Ich halte mich da an die Ausführungen des IStGH“, das sei „eine unabhängige Instanz“.
Dass der Beschluss nicht juristisch, sondern politisch motiviert ist, thematisierte der gelernte Jurist Schmid nicht. Der Verdacht liegt nahe, dass er selbst „massive Zweifel an der Verhältnismäßigkeit“ der israelischen Kriegsführung hegt, weil er selbst mit den Feinden Israels sympathisiert: Ausweislich seiner Abgeordneten-Bio, die auf Selbstauskünften beruht, ist Schmid im Vorstand der Deutsch-Arabischen Freundschaftsgesellschaft und der Deutsch-Türkischen Gesellschaft.
Nils Schmid (SPD) pocht auf das „Recht“, sieht aber einen „Wirkungsspielraum mit der Diplomatie“
In dieselbe Kerbe wie Schmid schlug dann am Vormittag auch die Bundesregierung, deren Sprecher Steffen Hebestreit folgende Erklärung veröffentlichte:
Hebestreit hatte bereits im Mai nach dem Antrag des Haftbefehls mitgeteilt, Deutschland sei grundsätzlich Unterstützer des Gerichtshofs – und dabei bleibe es auch. Auf die Nachfrage, ob dazu auch gehöre, sich an Entscheidungen des Gerichts zu halten, sagte Hebestreit: „Natürlich. Ja, wir halten uns an Recht und Gesetz.“ CDU-Chef Friedrich Merz entgegnete daraufhin: „Schon die Beantragung des Haftbefehls zugleich gegen Premier Netanjahu und [den inzwischen getöteten, die Red.] Hamas-Führer Sinwar ist eine absurde Täter-Opfer-Umkehr.“ Und: „Das Schweigen der Bundesregierung bis hin zur Andeutung des Regierungssprechers, dass Netanjahu auf deutschem Boden verhaftet werden könnte, wird nun wirklich zum Skandal.“
Aus der Erklärung der Bundesregierung lässt sich jedenfalls nicht herauslesen, dass Deutschland Netanjahu nicht verhaften lassen würde. Vielmehr betont sie die Verpflichtung, dem IStGH zu folgen, ebenso wie die „einzigartigen Beziehungen“ zu Israel, um niemandem auf die Füße zu treten. In der Konsequenz heißt das aber nur, dass man in Berlin nach Auswegen sucht, damit der heikle Fall nicht eintritt, sich also entweder mit dem israelischen Regierungschef in Jerusalem oder New York trifft oder nur mit einem anderen Vertreter der israelischen Regierung.
Dort sind selbst ausgewiesene Gegner Netanjahus über den Beschluss in Den Haag erbost und erkennen darin ein politisches Verfahren. Zur Strategie der Israel-Hasser gehört seit vielen Jahren der Versuch, Israel bei supranationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen oder eben den Gerichtshöfen in den Haag zu delegitimieren. Neben dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH, bzw. engl. ICC) gibt es noch den Internationalen Gerichtshof (IGH), vor dem Südafrika den Staat Israel des Völkermordes (!) in Gaza beschuldigt hat. Lawfare nennt sich diese Art der Kriegsführung, die in den UN längst Früchte getragen hat und nun auch Europa erreicht.
Sahra Wagenknecht, die Chefin des BSW, mit dem die CDU in Thüringen eine Koalition eingehen will, freut sich auf der Plattform X darüber: „Dieser Haftbefehl ist auch eine Ohrfeige für Kanzler Scholz & Außenministerin Baerbock. Was braucht es noch, damit die Bundesregierung ihre Beihilfe zu den Kriegsverbrechen der Netanyahu-Regierung in Gaza beendet? Waffenembargo gegen Israel jetzt!“, womit sie sich fast der gleichen Wortwahl befleißigt wie der Israel-Hasser Jürgen Todenhöfer. Beiden ist die Politik der Bundesregierung, deren Handeln ihrem eigenen Gerede von der Staatsräson ständig Hohn spricht (NIUS berichtete), noch viel zu israelfreundlich.
Sahra Wagenknecht hat sich schon öfter antiisraelisch geäußert.
Unionsfraktionsvize Johann Wadephul hingegen ging deutlich auf Distanz zum Gericht in Den Haag, begründete das aber zunächst mit Formalia: „Der Erlass von Strafbefehlen gegen den israelischen Premierminister und den ehemaligen Verteidigungsminister ist problematisch“, sagte er, „es bestehen Zweifel an der Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs in der Sache.“ Außerdem zeige der parallel ausgestellte Haftbefehl gegen einen Hamas-Terroristen „das vollkommen ausbleibende Fingerspitzengefühl der Spitze des Internationalen Strafgerichtshofs“. Die Bundesregierung müsse sich nun klar positionieren – was, siehe oben, eben nicht passiert ist.
Auch Stephan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, sieht das so: „Zeitgleich einen Haftbefehl gegen den Militärchef der Hamas und einen demokratisch gewählten Regierungschef und seinen ehemaligen Verteidigungsminister auszusprechen, und diese damit gleichzusetzen, ist völlig abwegig.“ Es mache einen Unterschied, „ob eine Terrororganisation abscheuliche Massaker verübt oder ob ein demokratischer Staat sich gegen terroristische Angriffe zur Wehr setzt.“ Der IStGH könne „nur dann tätig werden, wenn eine nationale Strafverfolgung nicht möglich oder nicht gewollt ist. Das trifft auf Israel nicht zu.“
Eben dies bekräftigte Brigitte Zypries, Justizministerin unter Merkel und Schröder, in einem Thread bei X (Twitter): „Schon alleine die Tatsache, dass die islamistische Hamas die internationalen Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant als historischen Schritt bejubelt, zeigt, dass der Internationale Strafgerichtshof eine parteiische Entscheidung getroffen hat.“ Juristisch sei „sehr zweifelhaft, ob der IStGH überhaupt zuständig ist. Denn der IStGH kann nur strafverfolgend tätig werden, wenn Staaten nicht willens sind, eine bestimmte Straftat zu verfolgen. Israel hat aber ein funktionierendes Justizsystem, das seine Unabhängigkeit schon oft unter Beweis gestellt hat.“
Während die deutsche Regierung im selbstgeschaffenen Dilemma herumeiert, redet man woanders Tacheles: US-Präsident Joe Biden verurteilte die internationalen Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant als „empörend“: „Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Was auch immer der Internationale Strafgerichtshof andeuten mag, Israel und die Hamas sind nicht gleichwertig – überhaupt nicht“. Und: „Wir werden immer an der Seite Israels stehen, wenn seine Sicherheit bedroht ist.“ Die USA erkennen den IStGH nicht an. Auch Tschechiens Premier Petr Fiala kritisiert die Entscheidung des Strafgerichtshofs, zu dessen 124 Mitgliedsstaaten sein Land gehört.
Argentiniens Präsident Javier Milei wurde noch deutlicher. Der Entscheid ignoriere Israels legitimes Recht auf Selbstverteidigung gegen die anhaltenden Angriffe von Terrororganisationen wie der Hamas und der Hisbollah: „Israel ist brutaler Aggression, unmenschlichen Geiselnahmen und wahllosen Angriffen auf seine Bevölkerung ausgesetzt. Die legitime Verteidigung einer Nation zu kriminalisieren und gleichzeitig diese Gräueltaten auszublenden, ist ein Akt, der den Geist der internationalen Justiz verzerrt.“ Argentinien stehe in Solidarität zu Israel: „Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf, die Aktionen von Hamas und Hisbollah zu verurteilen und die Souveränität Israels zu verteidigen.“
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban ging noch einen Schritt weiter. Im staatlichen Radio bezeichnete er am Freitag die Entscheidung des IStGH als „unverschämt dreist“ und „zynisch“ und sagte, dass sie „in einen laufenden Konflikt eingreift ... getarnt als juristische Entscheidung, aber in Wirklichkeit für politische Zwecke“.
Viktor Orban lässt an seiner Solidarität mit Israel und dessen Regierungschef Benjamin Netanjahu keinen Zweifel.
„Wir haben keine Wahl, wir müssen uns dieser Entscheidung widersetzen“, sagte Orban. Und fügte hinzu: „Im Laufe des Tages werde ich den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu zu einem Besuch nach Ungarn einladen und ihm versichern, dass das Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs in Ungarn keine Wirkung entfalten wird und dass wir ihm nicht folgen werden.“
Worte, die man gern aus dem Munde des deutschen Regierungschefs hören würde. Der jedoch bekommt nicht einmal den Mund auf, wenn der neben ihm stehende Vorsitzende der Palästinensischen Autonomiebehörde von „50 Holocausts“ faselt, die Israel an den Palästinensern beginge. Von so einem Bundeskanzler ist, wenn es um Israel geht, bestenfalls ein diplomatischer Eiertanz zu erwarten.
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