Wahl neuer Verfassungsrichter: Beugt sich die CDU der Linkspartei?

vor 12 Tagen

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Im Jahr 2025 sind vom Bundestag drei neue Richter für das Bundesverfassungsgericht zu wählen. Dringend steht die Regelung der Nachfolge von Josef Christ an, der schon vor viereinhalb Monaten hatte ausscheiden sollen. Hier liegt das Vorschlagsrecht bei der Union, die übrigens bereits Ende 2024 einen Nachfolger ausgesucht hatte. Dieser Kandidat hatte sich allerdings kritisch zum Asylrecht geäußert, woran die Grünen sich störten. Ohne sie gab es im alten Bundestag nicht die nötige Zweidrittelmehrheit der Stimmen. Christ musste im Amt bleiben. Sodann steht bald die Nachfolge von Doris König an, deren Amtszeit am 30. Juni endet. Das Vorschlagsrecht liegt hier bei der SPD. Schließlich will Ulrich Maidowski am 30. September aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig ausscheiden. Das Vorschlagsrecht hat auch hier die SPD.

Nun aber wird es eng, ja pikant. Der Bundestag braucht für die Wahl eines Karlsruher Richters eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Nach der Neuwahl des Bundestages haben CDU/CSU (208 Sitze), SPD (120 Sitze) und Grüne (85 Sitze) als informelle Kenia-Koalition zusammen nur 413 Stimmen, aber keine Zwei-Drittel-Mehrheit. Diese liegt derzeit bei 420 Sitzen, es fehlen also sieben Stimmen.

Damit kommt die Links-Fraktion ins Spiel. Da CDU/CSU/SPD/Grüne alle Stimmen oder gar Absprachen mit der AfD ausschließen, ist die „Linke“ in einer komfortablen Lage. Und sie kostet diese Lage aus. Die „Linke“-Vorsitzende Ines Schwerdtner hat Kooperationsbereitschaft signalisiert, allerdings verlangte sie eine schriftliche Vereinbarung „unter allen demokratischen Parteien“, dass es keine Mehrheiten mit der AfD geben werde. Mehr noch: „Perspektivisch sollte auch die Linke ein Vorschlagsrecht für neue Verfassungsrichter und -richterinnen bekommen“, sagte die „linke“ Rechtspolitikerin Clara Bünger der Zeitung „Das Parlament“. Denn: „Wir wissen, dass es auch auf unsere Stimmen ankommt.“

Das gilt auch für die Richter, die über den Bundesrat nach Karlsruhe gewählt werden. Im Bundesrat ist die „Linke“ derzeit über zwei Landesregierungen (Bremen, Mecklenburg-Vorpommern) mit von der Partie. Nach den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern 2026 könnte sie an weiteren Landesregierungen beteiligt sein. Dann könnte es mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit auch im Bundesrat anders ausschauen.

Wie aberwitzig sich indes die Mehrheitsverhältnisse im Bundesverfassungsgericht abbilden, zeigt allein die Tatsache, dass die aus dem Bundestag hinausgewählte FDP vor kurzem mit ihren Vorschlägen zwei Posten neu besetzen konnte. Die Richter, die auf FDP-Tickets gewählt wurden, bleiben noch fast ein Jahrzehnt im Amt. Also erneut: Der Staat als die Beute der Parteien. Die „Linke“ wird da über kurz oder lang auch einen Happen abbekommen wollen.

Was tut die Union? Ist ihr noch zu zutrauen, dass sie Stimmen der Links-Partei verschmäht? Wird sie nach der Pfeife der „Linken“ tanzen? Die Union müsste diesen Tanz verschmähen, wenn der Beschluss des 31. CDU-Parteitag vom 8. Dezember 2018 in Hamburg noch gilt: „Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Links-Partei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.“ (Beschlüsse C76, C101, C164 und C179).

Aber realiter gilt dieser Beschluss nur noch zur Hälfte, nämlich Richtung AfD. Klar, die Brandmauer gegenüber der AfD und damit gegenüber der zweitstärksten Partei im Bundestag und gegenüber mehr als zehn Millionen Wählern steht. Aber die Brandmauer gegenüber der SED – genannt „Die Linke“? Nein, diese Brandmauer ist sehr porös geworden. Man nahm die „Linke“ mit ins Boot, um am 6. Mai rasch noch einen zweiten Wahlgang für Friedrich Merz durchzuziehen. Man votierte zusammen mit der Links-Fraktion gegen AfD-Kandidaten bei der Wahl der Vizepräsidenten des Bundestages und bei der Wahl von sechs Ausschussvorsitzenden, auf die die AfD Anspruch hatte.

Die Union windet sich. Linke CDUler wie Daniel Günther oder Karin Prien zeigen sich längst offen für eine Zusammenarbeit mit der Links-Partei. Die linke CDU-Quertreiberin und Bundesministerin Prien plädierte rabulistisch für einen „pragmatischen Umgang“ mit der Linken. Priens Begründung: Im Gegensatz zur AfD sei die Linke keine Gefahr für die liberale Demokratie, meinte Prien im Magazin „Stern“. Ähnlich äußerte sich ihr Parteikollege, der thüringische Ministerpräsident Voigt. Er sagte, mit einer Partei, die nicht wie die AfD auf einen Systemsturz hinarbeite, könne die CDU jenseits aller grundsätzlichen Differenzen parlamentarische Absprachen aus staatspolitischer Verantwortung treffen. Die beiden, Prien und Voigt, kennen offenbar nicht einmal die Positionspariere ihrer eigenen Partei: Denn im Jahr 2020 stand in Papieren der CDU: „Die Linke bekennt sich zum Sozialismus und stellt die Systemfrage.“

Der neue CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Hofmann, schließt eine inhaltliche (sic!) Zusammenarbeit mit der Linken weiterhin aus. Die Linke sei antibürgerlich, antikapitalistisch und antisemitisch, sagte er. „Inhaltlich“: Das impliziert aber wohl, dass es außerhalb programmatischer Fragen gemeinsame Sache geben wird: etwa bei Personalentscheidungen. Selbst der Merz-Intimus und Kanzleramtsminister Thorsten Frei zeigt sich in dieser Frage nunmehr offen: „Wir werden gemeinsam darüber zu sprechen haben“, sagte Frei in der Sendung „Frühstart“ von RTL und n-tv. Der Beschluss des CDU-Bundesparteitags könne zwar nicht mit einem Federstrich außer Kraft gesetzt werden. „Aber mit Sicherheit sind wir in einer Situation, wo wir die eine oder andere Frage neu bewerten müssen.“

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