Verfassungsschutz erklärt Verfassung für verfassungswidrig

vor etwa 14 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Matthias Brodkorb, ehemaliger SPD-Landesminister in Mecklenburg-Vorpommern und Rechtsextremismusfachmann hat in einem lesenswerten Gastbeitrag für die „Schwäbische Zeitung“ vom 6. Mai 2025 auf ein gern übersehenes Detail hingewiesen. Der AfD werde nicht etwa vorgeworfen, die demokratische politische Ordnung des Landes umstürzen zu wollen. Zum Vorwurf werde ihr gemacht, einen „ethnischen Volksbegriff“ zu verwenden. Und der sei als Indiz für ein verfassungsfeindliches Treiben der Partei zu werten. Oha, da hätten die VS-Schlapphüte vielleicht doch besser zunächst einen Blick in die Verfassung werfen sollen, ganz nach der bewährten Maxime juristischer Anfängerausbildung: „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.“ Denn was das Thema „ethnischer Volksbegriff“ angeht, findet sich im Grundgesetz durchaus Erhellendes. Artikel 116 Abs. 1 GG formuliert: „Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist (…), wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.“

Was kann der Begriff der „deutschen Volkszugehörigkeit“ denn sonst meinen, wenn nicht ethnisch-kulturelle Zugehörigkeit zu einem Kollektiv, das bislang als deutsches Volk bezeichnet wurde? Was kann der Begriff der „deutschen Volkszugehörigkeit“ denn anderes bezwecken als Menschen einen Rechtsanspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit zuzuerkennen, wenn sie ethnische Deutsche, aber keine deutschen Staatsangehörige sind? Auch der Begriff des „Abkömmlings“ hat nur Sinn als Bezeichnung für Menschen, die nach Art. 116 Abs. 1 GG formal Bürger eines anderen Landes sind, aber von Menschen abstammen, die für Deutsche in ethnokulturellem Sinne gehalten werden. Brodkorb wirft dem Verfassungsschutz vor, bei seiner windigen Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ in die hermeneutische Trickkiste zu greifen. Wenn man ohnehin davon ausgehe, dass die AfD einem angeblich verfassungswidrigen ethnischen Volksverständnis anhänge, könnten verfassungsrechtlich harmlose Aussagen als Indikatoren für ein vermeintlich rechtsextremistisches Weltbild der AfD gedeutet werden. Der Verfassungsschutz setze also das, was er beweisen müsste, einfach voraus. Das sei ein Muster, das an Verschwörungstheorien erinnere.

Im Übrigen sollte in diesem Zusammenhang schon noch einmal darauf hingewiesen werden, dass freie Meinungsäußerung in Deutschland ein Grundrecht ist. Aber muss man wirklich darauf hinweisen? Verfassungsfeind ist noch lange nicht, wer von der Entwicklung der deutschen Gesellschaft und seiner künftigen demographischen Zusammensetzung eine andere Vorstellung hat als die, in der sich eine mehrere Parteien übergreifende Meinungskoalition im Bundestag wiederfindet. Der demokratische Nationalstaat stützt sich auf das demokratische Selbstbestimmungsrecht der Nation. Gemeint ist damit das kollektive Recht der Nation, über die eigenen Verhältnisse und das eigene Schicksal selbst zu entscheiden. Dieses Recht wird durch das Prinzip der Volkssouveränität und das Demokratieprinzip abgesichert. Der ehemalige SPD-Staatsminister und Philosoph Julian Nida-Rümelin hält die kollektive demokratische Selbstbestimmung sogar für ein Menschenrecht. Das demokratische Selbstbestimmungsrecht schließt das Recht mit ein, über das Ob, das Wer und das Wie von Einwanderung, Integration und Staatsbürgerschaft unter Beachtung der allgemeinen Menschenrechte frei zu entscheiden. Voraussetzung für die Ausübung der demokratischen Selbstbestimmung ist aber, dass ein gesellschaftlicher Diskurs stattfinden kann über den Gegenstand, der in freier Selbstbestimmung geregelt werden soll. Wenn also nach Art. 21 Abs. 1 GG die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken sollen, dann wäre jeder Versuch, dieses Recht von legalen Parteien einzuschränken, selbst verfassungswidrig.

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