
Was ist, wenn ein Frühwarnsystem nicht mehr frühzeitig warnt? Dann muss man dieses als dysfunktional oder als defekt anerkennen; als ein System, das nicht wirkliche Gefahren erkennt, sondern Kapazitäten und Ressourcen anderweitig bindet. Genau so scheint es im Fall des Verfassungsschutzes und seinen Landesämtern zu sein, also jenen Behörden, die sich „wichtige Vorfeldaufklärung“ zum „Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ als Ziel gesetzt haben.
Vieles wurde bereits über den Verfassungsschutz geschrieben: dass die Behörde unzeitgemäß, bürokratisiert ist und in vielen Fällen als Sicherer des „Status Quo“ auftritt, der die politische Opposition und Widersacher vorschnell unter Verdacht stellt, verfassungsfeindlich zu sein; dass ein solcher Inlandgeheimdienst mit weitreichenden Befugnissen im internationalen Vergleich beispiellos ist; dass die Schaffung eines Deliktfeldes wie „Staatsdelegitimierung“ absurd ist; dass so gut wie keine politisch motivierten Anschläge durch den Verfassungsschutz verhindert werden, sondern Hinweise stets von ausländischen Geheimdiensten kommen; und dass absurde Auswüchse einer Zeitgeist-Anbiederung auf der Tagesordnung stehen, die etwa im Kampf gegen „Stolzmonat“-Memes und „Auch wir sind Antifa“-Posts münden.
Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang und SPD-Innenministerin Nancy Faeser: beide Teil eines linksorientierten Gesinnungsstaates.
Doch die beeindruckende Dysfunktionalität dieses Systems wird auch in der journalistischen Arbeit deutlich. Im vergangenen Monat recherchierte NIUS zwei größere Geschichten, in der die Einschätzungen des Verfassungsschutzes entscheidend waren.
In der einen ging es um „völkische Siedler“ im ländlichen Raum Niedersachsens, die, das zeigen Recherchen von NIUS, in manchen Fällen weder siedeln noch völkisch sind – und sich zu Unrecht übelster gesellschaftlicher Ächtung ausgesetzt sehen, die sich mitunter direkt vor ihrer Haustür durch die Antifa Bahn bricht. Die zweite Recherche hingegen thematisierte „Nūr al 'Ilm“, eine islamistische Gruppierung im norddeutschen Raum, die vermutlich aus Bremen aus agiert – und extrem radikale Inhalte auf sozialen Medien verbreitet.
Der Umgang des Verfassungsschutzes mit beiden Phänomenen könnte nicht unterschiedlicher sein. Während „völkische Siedler“ eine eigene Wortneuschöpfung der Sicherheitsbehörden ist und deren Verdächtigkeiten im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht auf acht Seiten niedergeschrieben sind und als eigenständiges Phänomen erfasst werden, haben die Sicherheitsbehörden zu missionierenden Islamisten in bekannten Moscheen … keinerlei Erkenntnisse.
Das ergaben NIUS-Anfragen bei der Behörde im Bund und mehreren Ländern. Dort kannte sie schlichtweg niemand, was zu der Erkenntnis führt: Islamisten haben hierzulande oft nichts zu befürchten – und können ungestört ihre Ideologie verbreiten.
Der Kampf gegen „völkische Siedler“ in Niedersachsen nimmt inzwischen solch groteske Züge an, dass sich demokratisch gute Bürger Kreuze vor die Haustür hängen – in Abgrenzung zu ihren Nachbarn.
Dabei gibt es gute Gründe anzunehmen, dass die Gefahr von salafistischen Predigern, die ihre Ablehnung gegenüber der deutschen Gesellschaft offen artikulieren und Korane in deutschen Fußgängerzonen verteilen, weitaus größer ist als die von völkischen Siedlern. Erstere wurden im Zuge der Kampagne „Lies“ zu radikalen ISIS-Kämpfern in Syrien und Attentäter auf Tempel; letztere mögen verschrobene und rückwärtsgewandte Ansichten haben, leben aber abgekapselt und fallen Polizeibehörden in Niedersachsen so gut wie gar nicht als Straftäter auf. Auch missionieren die „völkischen Siedler“ nicht.
Die Gruppierung Nūr al 'Ilm bei der Dawah, also dem Missionieren, in der Bremer Innenstadt:
Die zwei Gruppierungen, Islamisten von Nūr al 'Ilm und völkische Siedler, werden aber nicht mal ansatzweise gleich behandelt. Dass der Verfassungsschutz nur unzureichende Kenntnisse über radikale Islamisten hierzulande hat, ist zutiefst besorgniserregend. Er wird damit in der Tat zu einer „Gesinnungspolizei im Rechtsstaat“, welche zu einem „Erfüllungsgehilfen der Politik“ wird, wie der Autor Mathias Brodkorb schreibt.
Verkörpert wird diese Haltung von Personen wie Thomas Haldenwang (CDU) oder Stephan Kramer (SPD). Sie stehen für eine Politik, die sich auf einen überhöhten und aufgeblasenen „Kampf gegen Rechts“ versteift, in welchem sie die Hauptgefahr für die Bundesrepublik vermutet, – während sie unterdessen islamistische Strömungen und fanatisierte Zuwanderer als Gefahr größtenteils ignorieren. Sie können unbehelligt beten, missionieren, agieren.
Solch ein Verfassungsschutz aber schützt unser Land nicht, sondern stellt eine systemimmanente Gefahr dar.
Auch bei NIUS: Lesen Sie mal, für welche Aussagen man heute vom Verfassungsschutz beobachtet wird