
Das Bundesamt für Verfassungsschutz sammelte eine Aussage von Alice Weidel, weil diese damit das Vorgehen der Behörden in der Schwachkopf-Affäre um Robert Habeck infrage stellte. Das geht aus dem am Dienstag vom Cicero-Magazin veröffentlichten AfD-Gutachten hervor, mit dem die Behörde intern die Hochstufung der Partei als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ gerechtfertigt hatte (mehr dazu hier).
Zum Ende des 1.100 Seiten langen Dokuments greift der Inlandsgeheimdienst in dem Kapitel „Belege für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Bundestagswahlkampf“ unter der Kategorie „Demokratieprinzip“ und dem Unterpunkt „Gleichsetzung der Bundesrepublik etwa mit dem Nationalsozialismus und der DDR oder allgemein mit einer Diktatur“ dann eine Äußerung von Weidel auf.
Im Rahmen einer Wahlkampfveranstaltung im hessischen Neu-Isenburg ließ die Bundesvorsitzende der AfD am 1. Februar ein Video zeigen, in dem die Strafanzeige und die anschließende Hausdurchsuchung bei einem Rentner wegen des Teilens eines Bildes des damaligen Wirtschaftsministers Habeck mitsamt der Unterschrift „Schwachkopf Professional“ thematisiert werden. Weidel soll den Vorgang mit ihrer dort geäußerten Kritik mit der DDR verglichen haben, kritisiert der Verfassungsschutz.
Einmal wird eine Äußerung der AfD-Politikerin aufgeführt, mit der sie das Verwenden des Wortes „Schwachkopf“ gegen einen Politiker für nicht strafbar erklärte. „Das gehört zur Meinungsfreiheit dazu. Und ich finde, man darf das nicht verbieten. Wenn jemand die Meinung hat, dass ein anderer keine Ahnung hat – wie ein Kinderbuchautor von Wirtschaft und Energie – dann darf er doch ‚Schwachkopf‘ sagen. Was ist daran so falsch? Es ist nicht mal falsch, oder?“, wird Weidel vom Verfassungsschutz zitiert.
Außerdem hält der Inlandsgeheimdienst eine Aussage zum behördlichen Vorgehen fest: „Das ist ein Element der Einschüchterung“, sagte Weidel zu den Vorgängen in Bayern. Der Rentner, der das Schwachkopf-Bild per Zitatfunktion, also Retweet, auf X geteilt hatte, wurde an einem Novembermorgen von der Polizei überrascht, die einen Durchsuchungsbeschluss vom Amtsgericht Bamberg erhalten hatte, nachdem die dortige Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen hatte.
Eigentlich ging es um Volksverhetzung – das war aber nicht als Grund für die Hausdurchsuchung angegeben worden. Erst nachträglich erklärte die Staatsanwaltschaft, auch deswegen gegen den Rentner zu ermitteln. Im Strafbefehl wurden diese Vorwürfe letztlich fallen gelassen und dem Rentner vollkommen neue Fälle zur Last gelegt (mehr dazu hier).
Weidel sagte diesbezüglich weiter: „Das kennt man aus der DDR, dann ist man da gleich nach Hohenschönhausen geschafft worden. Ich kann nur jedem empfehlen, sich das mal anzugucken, was die mit den Menschen, mit Regimekritikern, die Honecker als Faschisten bezeichnet hat, was man mit den Menschen in Hohenschönhausen gemacht hat.“
Für den Verfassungsschutz ist klar: „Nicht nur diffamiert Weidel Robert Habeck dadurch, dass sie implizit dessen Bezeichnung als ‚Schwachkopf‘ zustimmt, sie unterstellt ihm ebenfalls, die Strafanzeige wegen Beleidigung als Einschüchterung analog zu den Methoden der damaligen DDR anzuwenden.“
Nur wenige Zeilen später zitiert der Inlandsgeheimdienst dann die Europaabgeordnete Christine Anderson, die auf dem Bundesparteitag im Januar diesbezüglich monierte: „Ein freiheitlicher Rechtsstaat, der strafrechtliche Normen missbraucht, um Bürger wegen Kritik an Regierungsmitgliedern zu schikanieren, zu verfolgen und zu kriminalisieren, hört eben auf, ein freiheitlicher Rechtsstaat zu sein.“
Zuvor hatte Anderson einen Antrag begründet, in dem sie die Abschaffung von Paragrafen 188 des Strafgesetzbuches, also den Politikerbeleidigungsparagrafen, der für die Hausdurchsuchung in der Schwachkopf-Affäre herangezogen worden war, forderte. Der Verfassungsschutz sah darin nicht nur eine Kritik an der„Strafrechtsnorm des § 188 StGB“, Anderson „behauptet zugleich, die Bundesrepublik sei nicht länger ein Rechtstaat“, schlussfolgert die Behörde.
Auf den 1.100 Seiten des Gutachtens finden sich weitere solcher Beispiele, die wenigstens dürften tatsächlich einschlägig gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sein. Überdies hat der Verfassungsschutz offenbar lediglich öffentliche Aussagen gesammelt und teilweise eingeordnet – interne Quellen sind aus dem Gutachten nicht zu entnehmen. Wirklich neue Befunde über die AfD hat der Inlandsgeheimdienst damit also nicht sammeln können.
Nachdem das Gutachten Anfang Mai als Grundlage für die Hochstufung der AfD von der damaligen Innenministerin Nancy Faeser verkündet worden war, hatte die Partei den Verfassungsschutz zunächst abgemahnt. Weil dieser nicht reagierte, zog die AfD vor das zuständige Verwaltungsgericht Köln – der Inlandsgeheimdienst gab letztlich eine Stillhaltezusage ab und darf die AfD daher zunächst nicht als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ führen oder bezeichnen (Apollo News berichtete).