
Am Montag urteilte das Amtsgericht Bamberg: Sieben Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung für den Chef des AfD-nahen „Deutschland-Kurier“, David Bendels. Er soll gegen Paragraf 188 des Strafgesetzbuches verstoßen haben, weil er ein Meme von Bundesinnenminister Nancy Faeser veröffentlicht hat, in dem sie ein Schild mit der Aufschrift „Ich hasse die Meinungsfreiheit!“ hält.
Damit soll Bendels nach Ansicht der Staatsanwaltschaft und des entscheidenden Richters „erkennbar bewusst unwahre und verächtlichmachende Tatsachenbehauptungen“ verbreitet haben: Das fällt unter den Straftatbestand des Paragrafen 188 StGB der „gegen Personen des politischen Lebens gerichteten Beleidigung, üblen Nachrede und Verleumdung“.
Dieser einzige Paragraf ist seit kurzer Zeit zum schärfsten Mittel des Staates gegen Meinungsfreiheit geworden. Jährlich werden deswegen Hunderte, möglicherweise Tausende, Verfahren (genaue Zahlen sind aufgrund fehlender Daten bei den Staatsanwaltschaften nicht verfügbar) gegen einfache Bürger geführt – viele werden zu empfindlichen Strafen verurteilt.
Dabei ist die Gesetzesnorm nicht neu: Bereits 1951 wurde der Paragraf 188, damals noch als Paragraf 187a, neu eingeführt. Die Norm geht auf eine Verordnung von Reichspräsident Paul von Hindenburg aus dem Jahr 1931 zurück. Diese Verordnung „zum Schutz des inneren Friedens“ sollte den „Ehrschutz“ in der Weimarer Republik stärken.
Über Jahrzehnte hinweg war die Gesetzesnorm nur eine Randnotiz. Selbst mit dem Aufkommen des Internets, wodurch Straftaten, die auf Äußerungen zurückgingen, oftmals besser dokumentiert und nachgewiesen wurden, blieb die Zahl der Verfahren und Verurteilungen äußerst gering. Doch das hat sich in den vergangenen Jahren schlagartig geändert. Das hat vor allem zwei Ursachen.
Zum einen wurde das Gesetz 2021 entscheidend verschärft. So wurde Beleidigung (bis dahin umfasste die Norm nur „üble Nachrede und Verleumdung“) aufgenommen. Die Definition der durch das Gesetz geschützten Personen wurde auch auf Kommunalpolitiker ausgeweitet. Seit dieser Änderung ist die Zahl der Verfahren wegen des Paragrafen deutlich in die Höhe geschnellt. Auswertungen, wie etwa eine kleine Anfrage der AfD aus dem vergangenen August über die von den Bundesministern gestellten Strafanträge, zeigten, dass Politiker vor allem wegen Beleidigungen Strafanträge stellten (Apollo News berichtete).
Zum anderen hat sich seit der Gesetzesverschärfung eine Kultur von Denunziantentum entwickelt: Immer mehr, oftmals staatliche, Meldestellen „gegen Hass“, wie „Respect!“ werden gegründet. Organisationen wie „Hate Aid“ oder „So Done“ von Julis-Chefin Franziska Brandmann sollen „Betroffenen“ von solchen Hassverbrechen im Netz helfen – am Ende läuft es auf eine erbarmungslose rechtliche Verfolgung von Bürgern durch vermeintlich geschädigte Politiker hinaus. Für Politiker ist die Verfolgung von Äußerungen durch die Meldestellen und Anlaufstellen dadurch so einfach geworden wie nie.
Angesichts dessen ist das Verhalten der Justiz in diesem Fall zwar immer noch kritikwürdig, jedoch ist sie hier nicht der Hauptverantwortliche. Den Richtern sind dabei insbesondere aufgrund der befremdlichen Strafvorschriften beim Strafmaß teilweise sogar die Hände gebunden. So ist die Mindeststrafe für Politiker-Verleumdung (wie im aktuellen Fall von Bendels) nach Paragraf 188 mindestens sechs Monate Freiheitsstrafe.
Sieht ein Richter also tatsächlich irgendwas an der Aussage verleumderisch, muss er dem Angeklagten mindestens eine Haftstrafe auf Bewährung aufbrummen – eine Geldstrafe ist ausgeschlossen. So etwas ist im Strafrecht unüblich – selbst für Straftaten mit physischer Schädigung wie Diebstahl ist eine Geldstrafe möglich. Auch im Falle einer „üblen Nachrede“ gegen Politiker ist die Mindeststrafe eine Freiheitsstrafe von drei Monaten.
Trotz dieser eklatanten Mängel des Gesetzes gibt es aktuell noch keine größere Debatte über eine mögliche Reform oder gar Abschaffung des Paragrafen 188 des StGB. Dabei hat eben dieses Gesetz einen unvergleichlichen Schaden an der Meinungsfreiheit in Deutschland angerichtet.