
Es ist mittlerweile Alltag in Deutschland, dass gegen Bürger wegen Volksverhetzung ermittelt wird. Warum ist das so? Ein wesentlicher Grund liegt in der schleichenden Umwandlung eines einst klar definierten Straftatbestands in einen Gummiparagrafen, der sich hervorragend für politische Willkür eignet. Der zweite Grund ist ein professionell organisierter Repressionsapparat, der Ermittlungen und Anklagen systematisch auf den Weg bringt. NIUS sprach mit dem Strafrechtler Udo Vetter, der es in seiner täglichen Praxis mit einem instrumentalisierten § 130 StGB zu tun hat: „Früher war er klar definiert und verständlich, doch mittlerweile ist er zu einer Allzweckwaffe verkommen.“
Bei Gesetzestexten gilt, was Texten insgesamt wohltut, doch ist es hier noch entscheidender: Einfachheit, Klarheit und Grundsätzlichkeit sind die sprachlichen Qualitätskriterien. In seiner ursprünglichen Fassung aus dem Jahr 1960 war § 130 Strafgesetzbuch ein klar formulierter, verständlicher Paragraph: sechs Zeilen, überschaubar, mit einem eng umrissenen Anwendungsbereich. Auch sein Zweck war eindeutig: Aus der Erfahrung des Nationalsozialismus, der noch nicht lange zurücklag, sollte der Paragraf strafrechtlich unterbinden, dass sich ähnliche Schrecken wiederholen.
Es ist eine abstrakte Beschreibung dessen, was die Nationalsozialisten taten: Bestraft werden sollte, wer „in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“, die Menschenwürde anderer angreift, indem er zu „Haß gegen Teile der Bevölkerung“ aufstachelt, zu „Gewalt- oder Willkürmaßnahmen“ gegen sie auffordert oder sie „beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet“.
Der Volksverhetzungsparagraf in seiner alten Form (1960).
Der Paragraf 130 in seiner heutigen Form ist das Gegenteil davon – nicht nur schwer verständlich, sondern regelrecht überwuchert. Über die Jahre hinweg wurde er immer wieder erweitert, ergänzt, verschärft und modifiziert. So oft und so unübersichtlich, dass im Nachhinein kaum mehr rekonstruierbar ist, wann genau welche Ergänzung eingeführt wurde. Udo Vetter, der regelmäßig Mandanten vertritt, die auf Grundlage von § 130 angeklagt werden, sagt im Gespräch mit NIUS:
„Diese Ausweitung des Paragrafen hängt natürlich auch damit zusammen, dass er inzwischen so unübersichtlich geworden ist. Teilweise ist selbst für Juristen kaum noch nachvollziehbar, was genau im Gesetz eigentlich steht. Und gerade diese Unklarheit eröffnet dann die Möglichkeit, nahezu jede Aussage irgendwie unter den Paragrafen zu fassen – nach dem Motto: Das wird schon irgendwo hineinpassen.“
Der Volksverhetzungsparagraf im Chaos seiner aktuellen Form.
Mit der prinzipiellen Unverständlichkeit wird ein zentraler Pfeiler des Rechtsstaats ausgehöhlt: die Rechtssicherheit: „Es ist nicht einmal mehr nur ein Gummiparagraph – das ist inzwischen ein Paragraf, bei dem man sagen muss: Er verletzt ein zentrales Prinzip des Strafrechts. Denn das Strafgesetzbuch basiert auf dem Gedanken, dass ein Bürger im Voraus erkennen können muss, ob sein Verhalten strafbar ist. Wer ins Gesetz blickt, muss verstehen können, was erlaubt ist – und was nicht.“ Erweitert und modifiziert, erklärt Vetter, wurde § 130 immer dann, wenn Gerichte ihn in den Augen der Politik zu eng ausgelegten, also entschieden, dass eine Äußerung noch von der Meinungsfreiheit gedeckt und keine Volksverhetzung sei.
Statt gerichtliche Entscheidungen zu akzeptieren und den gesetzlichen Rahmen im Wesentlichen unverändert zu lassen, verunstaltete die Politik die einst wohlgeformte Rechtsarchitektur so, dass sie auch gewünschten Sonderfälle umfasst – und schuf damit ein juristisches Ungetüm.
In der Folge öffnete sich der Paragraf politischer Willkür. Die nach fast einem Jahr freigesprochenen Sylt-Jugendlichen, ein aktuell verurteilter Corona-Protest, der mit „Impfen macht frei“ arbeitete – auch bei Robert Habecks Schwachkopf-Affäre ging es zusätzlich um Volksverhetzung. Fälle, bei denen auf seiner Grundlage Anklage erhoben wird, wirken inzwischen wie aus einer überzeichneten Parallelwelt, von der man kaum glauben mag, dass sie das reale Deutschland ist. So wurde kürzlich eine 74-jährige Frau wegen Volksverhetzung angezeigt, weil sie auf Facebook schrieb: „Wir brauchen Fachkräfte und keine Asylanten, die sich hier nur ein schönes Leben machen wollen, ohne unsere Werte und Kultur zu respektieren. Schickt die, die hier sind, mal zum Arbeiten. Wir sind nicht auf Faulenzer und Schmarotzer angewiesen und schon gar nicht auf Messerkünstler und Vergewaltiger.“ Ein CDU-Landtagsabgeordneter aus Sachsen-Anhalt bekam es mit der Justiz zu tun, da ihm nach einem tödlichen Messerangriff durch einen Afghanen der Kragen platzte: „Wir füttern sie durch und dann ermorden sie unschuldige Menschen. Dieses Pack muss raus aus Deutschland.“ Nach einem ersten Freispruch hat die Staatsanwaltschaft Magdeburg nun Berufung eingelegt.
Immer wieder sind es Missstände der Migrationspolitik, gegen die Bürger ihrem Ärger Luft verschaffen – was Staatsanwaltschaften dann als Volksverhetzung anklagen. Strafrechtler Vetter betont, dass eigentlich ein klarer Grundsatz gilt, den deutsche Gerichte immer wieder betonen: Auch grenzwertige Äußerungen sind von der Meinungsfreiheit gedeckt, wenn sie auf sogenannten „Anknüpfungstatsachen“ beruhen. Gemeint sind damit reale Umstände oder Ereignisse, die eine Grundlage für das geäußerte Werturteil bieten. Genau dieser Maßstab scheint verloren zu gehen – zugunsten eines Strafverfolgungseifers, der sich gegen das richtet, was eigentlich grundrechtlich besonders geschützt werden muss: das politische Wort.
Eine zentrale Voraussetzung für den Straftatbestand der Volksverhetzung war seit jeher die Gefährdung des öffentlichen Friedens. Dieser setzt, wie der Begriff Volksverhetzung selbst, eine gewisse Öffentlichkeit voraus – ein Maß an Reichweite, das geeignet ist, tatsächlich gesellschaftliche Spannungen zu erzeugen. Aussagen, die zwar öffentlich zugänglich sind, aber faktisch kaum Beachtung finden, können bestenfalls Einzelne irritieren – ein Volk lassen sie ungerührt. Doch genau diesen Unterschied ignoriert der Staat zunehmend.
Beim Bundeskriminalamt, so berichtet es Vetter, gebe es eine eigene Cybercrime-Einheit, in der 30 bis 40 Beamte Tag und Nacht Kommentarspalten durchforsten – etwa bei Focus Online. Dort werde gezielt nach potenziell strafbaren Äußerungen gesucht. Einen Mandanten, gegen den deshalb Anzeige erhoben wurde, vertrat der Strafverteidiger vor Gericht. Den Richter fragte er: „Wie soll ein Kommentar eines unbekannten Nutzers, der irgendwo auf Platz 387 in der Kommentarspalte steht, den öffentlichen Frieden stören?“
Strafverteidiger Udo Vetter
Als der Gesetzgeber den Volksverhetzungsparagrafen formulierte, da hatte er vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus Propagandisten vor Augen, die sich auf Bühnen stellten und eigene Medien besaßen, die größtmögliche Öffentlichkeit suchten – und fanden. Nur so konnten sie den öffentlichen Frieden stören, das Volk verhetzen und zu Hass gegen Teile der Gesellschaft aufstacheln. Absurd wäre das Gedankenspiel, Goebbels' Sportpalastrede oder den „Stürmer“ seinerzeit bei einer Stelle für „Hass und Hetze“ zu melden.
Was tatsächlich den öffentlichen Frieden stört, erfahren auch im Staatswesen so viele Menschen, dass es keiner eigens eingerichteten Schnüffel- und Überwachungsabteilungen bedarf, um dagegen Strafanzeige zu erstatten. Was man nur erfährt, wenn man gezielt danach sucht, kann defintionsgemäß keine Volksverhetzung sein.
Doch um die Wahrung des öffentlichen Friedens geht es schließlich auch nicht, sondern um einen erzwungenen Konsens und um Disziplinierung. „Letztendlich kommt der alte stalinistische Grundsatz zum Einsatz: ‚Bestrafe einen – erziehe hundert‘“, stellt Vetter fest. „Wenn man sich anschaut, was da aktuell geschieht – etwa, dass Staatsanwaltschaften personell aufgestockt werden, um gezielt Fälle von Politikerbeleidigung oder ähnlichen Delikten zu verfolgen –, dann ist das ganz klar: Es handelt sich um einen Repressionsapparat. Und ein solcher Apparat kann gar keine andere Funktion haben. Seine Aufgabe ist nicht Aufklärung, sondern Abschreckung.“
Auffällig ist dabei die politische Gleichzeitigkeit: Während sich reale Probleme verschärfen, etwa durch eine ungesteuerte Migrationspolitik, baut der Staat seine Repressionsapparate aus, um kritische Teile der Bevölkerung einzuschüchtern und zu unterdrücken. Anstatt eine Kurskorrektur seiner Politik vorzunehmen, wählt er die autoritäre Krisenlösung. Die Meinungsfreiheit ist damit faktisch eingeschränkt, stellt Vetter fest: „Wer heute kritisch denkt und sich entsprechend äußert – sei es öffentlich oder im Internet –, muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Wer sich frech oder kontrovers zu politischen Themen äußert, läuft Gefahr, dass früher oder später die Polizei oder ein Staatsanwalt vor der Tür steht.“ Das gelte längst nicht nur für den Vorwurf der Volksverhetzung, sondern zunehmend auch für den Tatbestand der Politikerbeleidigung, so der Strafrechtler: „Beides greift mittlerweile ineinander. Es entsteht ein immer engeres Netz strafrechtlicher Risiken – ein Netz, das sich um die noch verbliebene Meinungsfreiheit legt.“
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Der Strafrechtler berichtet von einem Fall eines Mandanten, bei dem all dies zusammenführt: ein beliebig interpretierbarer Volksverhetzungs-Paragraf, der durch einen professionalisierten Einschüchterungsapparat als Allzweckwaffe gegen seinen ursprünglichen Zweck eingesetzt wird. Unter einem Focus Online-Artikel hatte sein Mandat kommentiert, dass „die sogenannten „Fachkräfte“ in Wahrheit keine seien, sondern lieber zum Messer greifen und „feige wie Ratten“ seien. Die sprachliche Zuspitzung mag geschmacklos gewesen sein, doch sie erfüllt nach Vetters Auffassung bei Weitem nicht den Tatbestand der Volksverhetzung. Vielmehr zeige sich hieran beispielhaft, „wie die Mechanik einer solchen Anklage funktioniere“, erklärt Udo Vetter.
Die Staatsanwaltschaft konstruierte eine Volksverhetzung, indem sie behauptete, der Kommentator habe Menschen „als Ratten bezeichnet“ – was schlicht falsch ist. Vetter konterte im Prozess: „Er schreibt nicht, dass diese Personen Ratten seien, sondern dass sie sich so verhalten, wie es volkstümlich Ratten zugeschrieben wird – also feige. Das ist ein Unterschied.“ In vielen Fällen, so seine Erfahrung, werde eine Aussage bewusst missverstanden oder uminterpretiert – offenbar, um überhaupt eine Anklage rechtfertigen zu können. In diesem Fall habe die Staatsanwaltschaft auf „feinsinnige Weise eine Strafbarkeit konstruiert“, so Vetter. „Viele Strafverteidiger können solche absurden Konstellationen mittlerweile aus eigener Erfahrung bestätigen.“
Moralischer Tiefpunkt der entfesselten Entwicklung des Paragrafen: Der Islamkritiker und Publizist Michael Stürzenberger wurde im Jahr 2024 zu einer Geldstrafe in Höhe von 3.600 Euro wegen Volksverhetzung verurteilt. Zudem war er selbst kurz zuvor nur knapp einem islamistischen Anschlag auf ihn entkommen, bei dem er schwer verletzt überlebte. Stürzenberger nahm immer Unterscheidungen vor, wie sie bei tatsächlicher Hetze nicht vorkommen. „Wir haben nix dagegen, dass wir wirklich politisch Verfolgte aufnehmen, aber das sind die allerwenigsten. Viele kommen über Schlepper – und nicht wenige werden straffällig.“ Er spricht von „tausend Vergewaltigungsfällen von Moslems aus Nordafrika und Arabien“, verweist auf kulturelle Prägungen in islamischen Herkunftsländern und warnt vor einer Verharmlosung der Gefahren. Seine scharfen, aber reflektierten und faktenbezogenen Äußerungen wurden ihm dennoch als Volksverhetzung ausgelegt. Das Prinzip der Anknüpfungstatsachen verliert seine Bedeutung, wenn Gerichte sich weigern, diese überhaupt anzuerkennen.
Stürzenbergers Islamkritik erschien im Dickicht des Volksverhetzungs-Paragrafen Richtern als Straftat.
Selbst direkt nach Gewalttaten gegen sie erleben Opfer Einschüchterung – nicht durch Täter, sondern durch den Staat: Eine syrische Frau hatte auf einem Spielplatz eine Familie attackiert, wie auf Video dokumentiert ist (NIUS berichtete). Hinterher veröffentlichte der Vater des verletzten Kindes die Aufnahme des Vorfalls auf Facebook mit den Worten: „Wir wünschen euch frohe Ostern. Wir hatten leider kein schönes Ostern.“ Er beschrieb die brutale Auseinandersetzung und gibt an, dass seine Frau und sein neugeborenes Baby wegen des Verdachts auf Gehirnerschütterung im Klinikum seien.
Ausländer attackieren Deutsche, die ihre Wut oder Sorgen darüber zur Sprache bringen – da könnte es, wie zeitgemäße Polizeibehörden alarmiert wittern, zu Volksverhetzungen noch und nöcher kommen! Kurze Zeit später wird das Video auf Facebook gelöscht und der Beschreibungstext wie folgt ergänzt: „Bei mir war gerade die Kriminalpolizei und hat mich darauf hingewiesen, dass das Video aus Datenschutz Gründen bedenklich ist. Mir ging es bei der Veröffentlichung nicht darum, einen Spalt in die Bevölkerung zu schieben. Ich und wir haben nichts gegen Ausländer.“ Bekenntnisse dieser Art sind Ausdruck davon, vom Staat erfolgreich eingeschüchtert worden zu sein. Man kann sich leicht ausmalen, wie sich die Kriminalbeamten zuvor dem Vater gegenüber gebärdeten.
In einem weiteren Post teilte der Mann mit, dass er vorerst nur noch über WhatsApp oder Facebook erreichbar sei, da sein Handy aufgrund eines Verdachts auf Volksverhetzung von der Kriminalpolizei beschlagnahmt worden sei. Aus demselben Grund wurde gegen Dritte, die Kommentare geschrieben hatten, Ermittlungen eingeleitet. „Weil das Gesetz so schwammig ist, kann man am Ende fast jede unbequeme Meinungsäußerung darunter pressen“, warnt Vetter.
Der § 130 sei, der Strafverteidiger, keine „Ultima Ratio mehr, wie sie das Strafrecht eigentlich vorgesehen, sondern ein Ordnungsinstrument, mit dem gesellschaftlich Unerwünschtes sanktioniert wird. Wer eine unbequeme Meinung äußert, läuft heute Gefahr, unter diesem Paragrafen erfasst zu werden“, so der Rechtsanwalt. „Nicht, weil er hetzt, sondern weil er stört – etwa die Illusionen der Regierung.“
An der Beschlagnahme des Handys offenbart sich eine Entwicklung, die furchterregend und einschüchternd ist: Die Ermittlung ist zur eigentlichen Strafe geworden. Wer aufgrund des falschen Tweets der Volksverhetzung verdächtigt wird, der erlebt nicht mehr zuerst die Justiz (durch einen Brief), sondern die Exekutive – in Form frühmorgendlicher Hausdurchsuchungen und Sicherstellungen der Smartphones – die den Beamten intimste Einblicke ermöglichen. Es sind grotesk unverhältnismäßige Maßnahmen, die allein dem Zweck der Demütigung dienen.
Über den Strafcharakter ihres Vorgehens sind sich deutsche Staatsanwälte durchaus bewusst: In der CBS-Sendung 60 Minutes erzählten in drei Staatsanwälte aus Göttingen – lachend und ohne jedes Unrechtsbewusstsein – davon, wie sie Beschuldigten die Handys abnehmen. „Es ist eine Art von Bestrafung, wenn man sein Smartphone verliert – es ist sogar schlimmer als die Strafe, die man bezahlen muss.“ Auch gegen Jugendliche, die nach einer Abiparty betrunken ein geschmackloses Lied sangen, werden schwerste Geschütze aufgefahren, als handelte es sich bei ihnen um Vertreter organisierter Kriminalität. Weil ihr Party-Gegröle gefilmt wurde, folgten Hausdurchsuchungen bei den Tatverdächtigen, offiziell zur Beweissicherung, faktisch zur Einschüchterung. Auch hier begründete der Verdacht auf Volksverhetzung die Sicherstellung der Smartphones – zur Aufklärung des „Tatablaufs“ und zur Ermittlung „weiterer Tatverdächtiger“, wie es offiziell heißt. Es sind Rechtfertigungen, die dem Sinnlosen Sinn verleihen sollen: Was die Beschlagnahmungen einzig zu Tage fördern, ist ein verstörender Ermittlungseifer der Polizisten.
Die Organisation der Strafverfolgung über digitale Meldestellen und Cybercrime-Abteilungen hat zu einem Ergebnis geführt, das als Machtdemonstration des Staates politisch beabsichtigt ist: Die Maßnahmen ersetzen faktisch den Schuldspruch – obwohl sie formal in der Ermittlungsphase stattfinden. Als Innenministerin Nancy Faeser, Schirmherrin der „Aktionstage gegen Hass und Hetze“, öffentlich erklärte, sie wolle „Täter härter bestrafen“, sprach sie als Exekutive, die sich das Recht auf Bestrafung anmaßt – obwohl es allein der Judikative zusteht. Doch genau diese Grenze ist längst durchlässig geworden: Staatsanwaltschaften, Polizei, Ministerien, ja selbst Gerichte, die den Hausdurchsuchungen ihren Segen erteilen, agieren als ein mächtiger, aufeinander abgestimmter Apparat. Die staatlichen Gewalten begrenzen hier nicht einander, sondern verschmelzen. Die Strafe kommt nicht mehr aus dem Urteil, sondern aus dem Apparat.
§ 130 StGB ist zur Allzweckwaffe der Staatsanwaltschaften geworden. Was einst ein klares Instrument gegen nationalsozialistische Hetze war, hat sich in ein wucherndes Paragraphengebilde verwandelt – so unbestimmt, dass es selbst zur Gefahr geworden ist. Die Folge ist eine Rechtsunsicherheit, die mit dem Anspruch eines Rechtsstaats unvereinbar ist. Nach Jahrzehnten der Ausweitung wäre es überfällig, diesen Paragrafen auf seine ursprüngliche Einfachheit und Klarheit zurückzuführen. Nur so ließe sich beenden, was längst außer Kontrolle geraten ist: die Strafverfolgung harmloser Bürger.
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