
13 Prozent erreicht die SPD nur noch in der letzten Sonntagsfrage von Infratest dimap. 13 Prozent für die einstige Volkspartei, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Mit den sinkenden Umfragewerten gibt es natürlich eine steigende Anzahl an Beratungsangeboten aus aller Welt.
Die meisten beschäftigen sich mit der Programmatik der Partei. Diese müsse linker oder rechter werden, außenpolitisch dies oder jenes vertreten, steuerpolitisch umschwenken und so weiter. Doch das Problem der Sozialdemokratie ist nicht inhaltlicher, sondern personeller Natur. Inhaltlich war die Sozialdemokratie schließlich schon immer ein Irrtum, da hatte Franz Josef Strauß einen Punkt.
Sozialdemokratische Politik hat viel weniger Verdienste, als die meisten Menschen glauben möchten. Sie hat noch nie den Arbeitnehmern geholfen, sie hat seltenst für mehr Freiheit gesorgt, sie lag bei fast allen großen Richtungsentscheidungen der Bundesrepublik falsch. Hätte die SPD 1949 den ersten Bundeskanzler gestellt, Westdeutschland wäre ein sozialistischer Staat unter Sowjet-Einfluss geworden. Die Partei war nie Volkspartei wegen ihrer grandiosen Politik, sondern wegen ihrer Persönlichkeiten, die in der Bevölkerung hohes Ansehen genossen.
Das beste Beispiel dafür ist Helmut Schmidt. Mal ehrlich, wer erinnert sich schon an Schmidts Wirtschafts- oder Sozialpolitik? Es sind seine Zitate, die ihn erst beliebt und dann unsterblich machten, fast über das ganze politische Spektrum hinweg.
Alt-SPD-Kanzler Helmut Schmidt
„Schmidt Schnauze“ war ein Sozialdemokrat, der noch Ecken und Kanten hatte. Übrigens genau wie Gerhard Schröder, der letzte von der Bevölkerung bewusst gewählte und gewollte sozialdemokratische Bundeskanzler. Olaf Scholz wird eher als Wahl-Versehen in den Geschichtsbüchern landen, der reines Glück mit der miserablen Konkurrenz hatte.
Das sozialdemokratische Parteiprogramm ist heute genauso verfehlt, genauso etatistisch, genauso freiheitsfern wie es das zu Volkspartei-Zeiten noch war. Was sich geändert hat und was die 13-15 Prozent in Umfragen erklärt: das Personal der Partei. Wer hat heute noch Platz in der SPD? Noch viel aussagekräftiger: Wer hat im Jahr 2025 keine Chance mehr in der Partei?
Jemand wie Horst Niggemeier hätte heute sicher keinen Platz mehr bei den Sozialdemokraten. Der im Jahr 2000 verstorbene SPD-Politiker war stolze 35 Jahre lang Bürgermeister von Datteln, meiner Heimatstadt. Von 1987 bis 1994 war er zudem Bundestagsabgeordneter. Niggemeier galt als „Kommunistenfresser“, eine Zusammenarbeit mit den Grünen lehnte er entschieden ab. „Lieber gar nicht regieren“, rief er Jahrzehnte vor Christian Lindner, „als sich mit Leuten verbünden, denen dieser Staat scheißegal ist.“ Er forderte 1987: „Spitzenkandidat kann nur ein Sozialdemokrat werden, der nicht für die Grünen ist.“ Naturgemäß war er nach der Wiedervereinigung auch gegen eine Kooperation mit der PDS.
Horst Niggemeier war 35 Jahre lang Bürgermeister von Datteln und Bundestagsabgeordneter für die SPD.
Linke waren für ihn „Natterngezücht und Schleimscheißer“, Grüne bezeichnete er als „Ajatollahs“. Zur Asylpolitik polterte er: „Wir sind so voll, wir können nicht einmal einer afrikanischen Ameise Asyl gewähren.“ Er machte die KPD-Mitgliedschaft einer Dattelner Erzieherin in einem SPD-Rundbrief öffentlich, woraufhin die Frau ihren Job verlor. Die Überschrift des Rundbriefs lautete: „Grün-kommunistischer Filz in Datteln“. Ein Vorgang, der heute undenkbar und wenn doch, dann nur mit Rechtsextremismus-Vorwurf denkbar wäre.
Niggemeier kämpfte für Atomenergie, für Aufrüstung und war unerschütterlich solidarisch mit Israel. Mit diesen klaren Positionen provozierte er sogar eine linke Kriminalroman-Trilogie über sich. In „Das Ekel von Datteln“ wird Niggemeier am Ende in Handschellen abgeführt – wegen der Verwicklung in kriminelle Geschäfte.
Die linke taz verachtete ihn, warf ihm 1993 „Antikommunismus“ sowie einen „Wachstums- und AKW-Fetischismus“ vor, die konservative Welt veröffentlichte Texte von ihm. Der CSU-nahe Bayernkurier zählte ihn „zum Fähnlein der wenigen Aufrechten“.
Natürlich war Horst Niggemeier auch damals kein repräsentativer Politiker seiner Partei, aber es gab ihn. Er konnte als Grünen- und Linken-Hasser, als Atomfreund und als Migrationskritiker jahrzehntelang Karriere in der SPD machen. Das wäre in der heutigen sozialdemokratischen Partei gar nicht mehr möglich. Er käme nicht über das Amt des Schriftführers im Kreisvorstand hinaus. Und wenn er doch darüber hinaus käme, stünde ihm ein Parteiausschlussverfahren bevor. In der SPD der Gegenwart existiert kein einziger bekannter Kritiker des Linkskurses, der Energiepolitik oder der Migrationspolitik mehr. Die ehemalige Volkspartei ist zum Einheitsbrei verkommen.
Was hat die Partei denn heute noch an Personal zu bieten?
Von der Vorsitzenden Bärbel Bas ist kein prägnanter Satz, keine politische Position bekannt. Eigentlich ist der einzige vorstellbare Beruf, den sie einigermaßen gut ausüben könnte, der Job der Einsprecherin von Einschlaf-Hörbüchern. Lars Klingbeil ist ein konturloser Charakter und utopischer Langweiler, dessen einzige wahrnehmbare Überzeugung der Wille zur Macht ist.
Selbst der SPD-Nachwuchs ist mit Philipp Türmer als Juso-Chef eine Peinlichkeit sondergleichen. Türmer stellt eine aufgesetzte Aufmüpfigkeit und einen verlogenen, marxistischen Pathos zur Schau, wie es nur ein wohlstandsverwahrloster Sohn zweier Staatsangestellter tun kann. Er haut zwar markige Sprüche raus, bezeichnet Reiche beispielsweise als „Schmarotzer“, glaubwürdig ist an diesem Vokabular und an seiner gekünstelten Rhetorik aber gar nichts.
Bärbel Bas und Lars Klingbeil, das neue Spitzen-Duo der SPD
Neulich war er für anderthalb Stunden im Podcast von Anne Will und äußerte dort Sätze wie die folgenden: „Das müssen wir hinbekommen. Und das ist eine Haltung. Das kriegt man in keinem, es ist fast egal, was man im Bundestag macht, ehrlich gesagt. Fast, nicht ganz egal. Da muss man ordentliche Arbeit machen. Aber das entscheidet sich über so eine, über eine Ausstrahlung. Und auch, dass man es ernst meint.“
Ohrenbluten – und das über die Gesamtlänge des Podcasts. Keine politische Seele, keine gedankliche Schärfe zu finden. Das ist der Beweis: Sobald Philipp Gangolf Balthasar Türmer – wenn das mal kein Proletariername ist – sich in den Bundestag hochgebullshittet hat, wird er so brav in der Fraktionsmasse aufgehen wie alle anderen Sozialdemokraten auch.
Bärbel Bas, Lars Klingbeil, Philipp Türmer. Drei Charaktere, die symptomatisch für den Niedergang der SPD stehen. Drei Politiker, die ungefähr so spannend und charismatisch sind wie abgelaufener Schablettenkäse.
Es fehlt den SPD-Funktionären an jeder Kantigkeit, an jeder Derbheit, an Unaufgesetztheit, an eindrucksvollen Biografien und nicht zuletzt an Authentizität. Es gibt heute keinen Niggemeier mehr in der Partei, der sich der Radikalität der politischen Linken entgegenstellt.
Die Konsequenz: Bei der diesjährigen Bundestagswahl wählten nur noch 12 Prozent der Arbeiter die angebliche Arbeiterpartei. Die AfD konnte hingegen 38 Prozent der Arbeiterschaft für sich gewinnen. Der SPD-Chef und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil kann das gerüchteweise eher nicht nachvollziehen. Immerhin berichtet er doch regelmäßig darüber, dass er wisse, was harte Arbeit sei – von seinen Eltern. Der moderne Sozialdemokrat erzählt nicht mehr von seinen eigenen Arbeitserfahrungen, sondern von denen seiner Erzeuger. Der zukünftige Sozialdemokrat wird dann wohl schon seine Großeltern heranziehen müssen, um sich bei der Arbeiterschaft – vergeblich – ranzuwanzen.
Die Sozialdemokraten haben auf diese Wählerflucht keine Antwort. Die SPD kämpft lieber mit den Grünen um die woke Großstadtbevölkerung, als den Kampf mit der AfD um die ländlichere Arbeitnehmerschaft aufzunehmen. Ein strategischer Irrtum, der so groß ist, dass wirklich jeder Cent, den diese Partei für Politikberater ausgibt, an die Steuerzahler zurücküberwiesen werden müsste. Sozialdemokraten bekämpfen die Grünen nicht mehr, sie wollen grüne Wähler begeistern. Die hart arbeitende und gesellschaftlich eher konservative Kernwählerschaft ist schon lange aus den Augen und damit aus dem Sinn.
Früher konnten Menschen wie Niggemeier in der SPD Karriere machen. Heute würden sie von Sozialdemokraten unter Rechtsextremismus-Verdacht gestellt. Früher konnten Menschen in der SPD-Bundestagsfraktion sitzen, die ein Vokabular verwendeten, das Sozialdemokraten der Gegenwart dazu verleiten würde, die Staatsanwaltschaft zu alarmieren. Heute gibt es keinen rechten Parteiflügel mehr, es existieren keine authentischen Querköpfe mehr. Alles ist gleichförmig und öde geworden. Eine Funktionärsstruktur, die entkoppelt vom echten Leben um sich selbst kreist. Die keinen Kontakt mehr zum breiten Volk hat und deshalb keine Volkspartei mehr ist.
Inhaltliche Positionen sind nicht das Problem. Verantwortlich für 13-Prozent-Umfragen sind arrogante Parteipolitiker, die bodenständige Arbeit nur noch aus Erzählungen kennen und den Kampf um ihre ehemaligen Wähler aus einer falschen Selbstdistanz zu vermeintlich rechten – in Wahrheit jedoch ehemals sozialdemokratischen – Positionen vermeiden. Sie ließen und lassen die SPD zu einer großstädtischen Splitterpartei verkommen, die immer mehr an Zustimmung verlieren wird.
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