
Um die geplante Neuverschuldung zu rechtfertigen, bedient sich die Union einer immer schärferen Rhetorik. „Was nützt die schönste Schuldenbremse, wenn der Russe vor der Tür steht?“, warnt jetzt auch Jens Spahn gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Dienstag. „Wir Europäer haben doch zugespitzt gesagt nur zwei Möglichkeiten: Wir können uns verteidigen lernen oder alle Russisch lernen“, mahnt der CDU-Politiker dramatisch.
Obwohl die Friedensaspirationen für die Ukraine mehr denn je Form annehmen und durch Donald Trump vorangetrieben werden, beruft sich Spahn damit auf die Angst der Bürger vor einer drohenden Invasion der russischen Armee in Deutschland. Damit sollen auch die Investitionen in die deutsche Infrastruktur gerechtfertigt werden: „Wer dem Aggressor Putin entgegentreten will, wer der Ukraine helfen will, auch wer der Deutschen Bahn beim Ausbau ihrer Schienennetze helfen will, der kann nur für diese Änderung sein“.
Dabei ist der Verwendungszweck des geplanten und 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögens keinesfalls so klar definiert: Hier soll es um Infrastruktur gehen. Weiter definiert wird dieser Begriff nicht. Für Spahn ist dennoch klar, dass die Aufweichung der Schuldenbremse für Verteidigungszwecke notwendig sei. Und auch die Grünen hätten das in der Vergangenheit eigentlich bereits hervorgehoben, meint der CDU-Politiker.
Schon vor der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode habe die Partei „Wladimir Putin als skrupellosen Diktator erkannt“ und die dahingehenden Investitionsnotwendigkeiten betont. Deswegen sollen die Grünen – deren Stimmen es im alten Bundestag braucht, um die für das Sondervermögen notwendigen Grundgesetzänderungen durchzubringen – laut Spahn jetzt mit Union und SPD zusammenarbeiten.
„Ich finde, die Grünen machen kluge Vorschläge, über die man jetzt reden muss“, erklärt Spahn und meint, wie bereits andere CDU-Spitzenpolitiker zuvor: „Wir werden Kompromisse machen müssen.“ Die Grünen hatten vor allem den fehlenden Klimaschutzaspekt und andere technische Details des geplanten Vorhabens von Union und SPD kritisiert und dahingehend einen eigenen Entwurf vorgelegt.
Dahingehend müssten sich die Grünen jetzt „fragen, ob sie mit AfD und Linkspartei gemeinsam das Signal der Entschlossenheit verhindern wollen, das Deutschland und Europa in Zeiten des Krieges so dringend brauchen.“ AfD und Linke hatten angekündigt, das Bundesverfassungsgericht wegen der Schulden-Pläne im alten Bundestag anzurufen (Apollo News berichtete).
Spahn bedient sich jetzt der Wahlkampfstrategie von Robert Habeck, der sich vor der Bundestagswahl als Bündniskanzlerkandidat präsentiert hatte. Obwohl nur Union und SPD miteinander koalieren wollen, gehen die Grünen auch aus Spahns Rhetorik als wichtiger Pfeiler hervor. „Diese Koalition muss wirklich Vertrauen für die demokratische Mitte und für die Volksparteien wiedergewinnen“, meint der CDU-Politiker.
Andernfalls werde es „in vier Jahren ein blaues Erwachen geben“, droht Spahn weiter. „Das dürfen wir jetzt auch bei all dem Kleinklein in den Verhandlungen nicht vergessen. Es geht nicht darum, wer wem etwas auf die Mailbox spricht“, sagte der CDU-Politiker und kommentierte damit die Posse um den Anruf von Friedrich Merz, der am Sonntag kurz vor der Sondierungspressekonferenz versucht hatte, die Bundestagsfraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann, für eine Einigung zu begeistern – doch die war wandern (Apollo News berichtete).