
Der britische Energiekonzern Shell atmet auf. Ein Gericht in Den Haag revidierte ein Urteil von 2021, mit dem Shell verpflichtet worden war, seine Kohlendioxid-Emissionen drastisch zu senken. Dagegen klagte das Unternehmen und bekam nun Recht. Das bisher weitestreichende Urteil im Namen des Klimaschutzes ist damit Geschichte.
Dem nun aufgehobenen Urteil war eine Klage mehrerer Umweltorganisationen vorausgegangen. Ein Zivilgericht hatte sich von deren Argumenten überzeugen lassen. Shell sah sich daraufhin mit der Pflicht konfrontiert, den Ausstoß von Kohlendioxid bis zum Jahr 2030 um 45 Prozent zu senken, verglichen mit dem Niveau von 2019. Auch für seine Zulieferer und Kunden sollte Shell diese Verpflichtung eingehen.
Im Berufungsverfahren konnte Shell mit seinen Gegenargumenten durchdringen. Die Richter überzeugte der Einwand, dass die Festlegung auf ein konkretes Reduktionsziel ein zu starker Eingriff in die unternehmerische Freiheit sei. Auch sprach es für Shell, dass der Öl- und Gaskonzern selbst erklärt hatte, bei den eigenen Firmen eine Reduktion von sogar 50 Prozent der Emissionen bis 2030 anzustreben.
In der Vergangenheit hatten Gerichte oft zugunsten von Klimaschutzaktivisten entschieden. Besonderes Aufsehen erregte ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9. April. Der Schweizer Verein der „Klimaseniorinnen“ setzte sich mit der Forderung durch, den Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels auf die Rechte älterer Menschen auszuweiten und den Staat stärker in die Verantwortung zu nehmen.
Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg
Zuvor, im April des Jahres 2021, hatte das deutsche Bundesverfassungsgericht für Recht erkannt, dass die Freiheits- und Grundrechte künftiger Generationen durch eine defizitäre Klimaschutzpolitik beeinträchtigt werden. Das Klimaschutzgesetz sei in dieser Hinsicht unzureichend: „Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit schließt den Schutz vor Beeinträchtigungen durch Umweltbelastungen ein, gleich von wem und durch welche Umstände sie drohen.“
Womöglich geht mit dem Urteil zugunsten von Shell eine Trendwende in der Rechtsprechung einher. Die Umweltorganisation „Milleudefensie“ könnte jedoch in Revision gehen.
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