Wie der Deutschlandfunk den Kampf von Schwarz-Rot gegen die Meinungsfreiheit feiert

vor etwa 1 Monat

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Zensur, staatlicher Angriff auf die Meinungsfreiheit? Damit hat der Deutschlandfunk kein Problem, denn ihn betrifft es nicht – nur die Bösen. Wer keine unbequemen Fragen stellt oder verheerende Entscheidungen der Politik anprangert, wird ja im Gegenteil belohnt. Auch in klingender Münze.

Das Papier der Arbeitsgruppe 14 („Kultur und Medien“) von Union und Sozialdemokraten lässt bei allen Verfechtern der Meinungsfreiheit in Deutschland die Alarmglocken schrillen: Der Druck auf Social Media soll erhöht werden, sogenannte Fake News eingeschränkt – mittels des nebulösen Vorwurfs von „Hass und Hetze“. Mit dem ausdrücklich eben nicht Straftatbestände wie Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung oder Volksverhetzung gemeint ist.

„Hass und Hetze“ unterliegt wie „„Falschinformationen“ oder „Fake News“ keiner Definition, und genau das ist die Absicht. Der Staat versucht mithilfe der Justiz Bürger, Regierungskritiker und unliebsame Journalisten wegen Meinungs- und Gedankenverbrechen zu kriminalisieren. Wenn generell das (öffentliche) Äußern falscher Tatsachen unter Strafe gestellt wird, käme das einem Ende öffentlicher Kommunikation gleich. Dann wäre potenziell jede Äußerung, mit der jemand nicht einverstanden sein könnte, strafrechtlich relevant.

„Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt“, heißt es im Sondierungspapier.

Eine gefährliche Entwicklung, sollte man meinen. Nicht jedoch für den Deutschlandfunk, der am Donnerstagnachmittag drei Beiträge zum Thema brachte, die zeigten, wie sehr der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf den Hund gekommen ist. Zunächst wurde Vladimir Balzer vom Hauptstadt-Studio zu den wichtigsten Punkten des Papiers befragt, und Balzer sprach wie folgt:„Also, dieses Papier atmet einen bemerkenswerten Geist, nämlich Medien und Journalismus zu stärken und zu fördern.“

Investigativjournalisten das Leben schwerer zu machen, indem man das „Informationsfreiheitsgesetz in seiner jetzigen Form“ abschaffen will, wie es dem Papier zu entnehmen ist, lässt sich nicht mit Balzers Freude über das Papier vereinbaren, aber das ist nicht der einzige Punkt, wie wir noch sehe werden. Der Hauptstadtkorrespondent feierte dann „ein Bekenntnis zur Deutschen Welle“ (DW), gerade wenn man sich anschaue, dass in den USA die staatlichen Auslandsmedien aktuell „sehr geschwächt, nämlich sozusagen fast abgeschafft werden“. Der Etat des deutschen Auslandssenders bleibe offensichtlich „im Kulturstaatsministerium, das sind ja 425 Milliarden Euro“ (sic!) – gemeint waren Millionen –, „ein Viertel des Gesamthaushalts des Kulturstaatsministeriums, also ein klares Bekenntnis zur Deutschen Welle.“

Das, um in der Diktion Balzers zu bleiben, „umstritten sein müsste“, schließlich machte die DW zuletzt zahlreiche negative Schlagzeilen, unter anderem durch mehrere unappetitliche Antisemitismus-Fälle in der arabischen Redaktion, die auch personelle Konsequenzen hatten. Laut eines eigenen Gesetzes hat der Sender die Aufgabe, „Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischen Rechtsstaat zu vermitteln“, erfüllt diese aber immer weniger. Ein Radioangebot in deutscher Sprache gibt es seit 2011 beispielsweise nicht mehr, während das Programm in anderen Sprachen deutlich ausgeweitet wurde.

Die Deutsche Welle ist ein öffentlich-rechtliches Angebot, wird aber anders als ARD und ZDF nicht aus Rundfunkgebühren finanziert, sondern direkt aus Steuergeldern. Kulturstaatsministerin Claudia Roth behauptet dennoch, die DW sei „staatsfern organisiert“ – ebenso staatsfern jedenfalls wie die Medienaufsicht laut Sondierungspapier von Union und SPD.

Grund zum Jubel für öffentlich-rechtliche Journalisten: ein Bekenntnis zur skandalgeschüttelten deutschen Welle – und 425 Millionen Euro jährlich.

Jetzt geht Balzer in medias res: „Was auch auffällt: Kampf gegen Fake News. Das ist offenbar den schwarz-roten Verhandlern wirklich wichtig.“ Und macht Balzer gute Laune, denn Fake News werden Sendern wie seinem nie unterstellt, Falschnachrichten verbreiten immer nur Kritiker der Regierung. „Die Medienaufsichten sollen, Zitat: ‚unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorhaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen‘“, so Balzer weiter.

„Und dann steht da auch noch ein Satz, der sehr bemerkenswert ist: Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Also, da will man auf diesem Gebiet nochmal deutlich aktiver werden. Und in dem Zusammenhang auch eine Stärkung des Digital Services Act, der auch auf europäischer Ebene Kampf gegen Fake News, gegen Hassrede in Online-Diensten sich auf die Fahnen geschrieben hat.“

Juristen mögen sich hier die Haare sträuben, doch Balzer und sein Gesprächspartner Sascha Wandhöfer begrüßen den DSA, der unerwünschte Kritik gern als „Hassrede“ abstempelt. Die beiden finden es gut, dass man „gegen diese Auswüchse“ vorgehen und das DSA auch stärker kontrollieren will. Und wer das Zensurgesetz der Mächtigen goutiert, preist auch die „Stärkung von Zeitungen und Periodika, also Print-Produkte und ihre digitalen Ableger“, indem die Mehrwertsteuer von 7 Prozent für sie abgeschafft wird und die Staatstreue der willfährigen Medien mit 700 Millionen Euro jährlich belohnt.

Noch dazu findet Balzer „auch noch wichtig: eine Rechtssicherheit für gemeinnützige Institutionen, betrifft u.a. Correctiv, vielleicht auch eine Reaktion auf die NGO-Anfrage der Union, die ja sehr umstritten war, für viel Unruhe gesorgt hat.“ Hurra: endlich kommt eine gesetzliche Grundlage für Staatsjournalismus, denn nicht das Portal Correctiv ist umstritten, sondern Fragen, die sich um die behauptete Gemeinnützigkeit des regierungsnahen und teils regierungsfinanzierten Mediums drehen.

„Endlich Rechtssicherheit“ für Correctiv & Co., jubelt der DLF.

Medien, die das Narrativ der Regierung mittragen, seien es die unverhältnismäßigen Maßnahmen in der Corona-Zeit, die Behauptungen über den Nutzen der Massenmigration aus der islamischen Welt oder die drohende Gefahr eines Großkrieges, werden belohnt und gefördert, kritische Stimmen wegen „Hass und Hetze“ zum Schweigen gebracht – und die mit Zwangsgebühren gemästeten Journalisten des Deutschlandfunks sind fein damit. Zuviel Neugierde (siehe die 551 Fragen zum NGO-Komplex) ist unerwünscht und sorgt nur „für Unruhe“.

Zum Schluss stellt Balzer noch befriedigt fest: „Was wirklich auffällt bei diesem Papier, wenn man’s vergleicht mit all den anderen Papieren aus den anderen Arbeitsgruppen, wo viel noch nicht geeint ist: Bei den Medien gibt es gar keinen Streitpunkt, von keiner der beiden Seiten irgendwas eingearbeitet, was noch strittig ist … (kichert) also auf jeden Fall: Streit gibt’s da keinen.“

Union und SPD sind sich einig, dass man Gefälligkeitsjournalismus mit Steuergeldern fördert und Meckern bestraft – wie schön! Bester Laune verabschiedet sich Vladimir Balzer in seinen Massagesessel.

Im nächsten Beitrag geht es um die Türkei, wo seit einer Woche gegen die Festnahme von Bürgermeister Imamoglu protestiert wird. Aus Istanbul berichtet Uwe Lueb von einem 10-tägigen Sendeverbot gegen TV-Sender, weitere Sender würden mit Geldbußen belegt. Die Begründung dafür, so Lueb: „Berichte der Sender über die Kundgebungen und Demonstrationen. Sie hätten mit ihren Sendungen zu Hass und Feindseligkeit aufgestachelt sowie Beleidigungen des Präsidenten und Boykottaufrufe übertragen.“

„Hass und Aufstachelung“: In Istanbul wird ein demonstrierender Student abgeführt.

„Hass und Aufstachelung zur Feindseligkeit“ wirft Recep Tayyip Erdoğan also seinen Kritikern vor, was nicht nur so ähnlich klingt wie „Hass und Hetze“, sondern auch so gemeint ist. Nur dass es in seinem Fall zu kritisieren ist. Lueb erwähnt auch „Plakate mit Flüchen und Beleidigungen“, die bei uns ein Fall für die Justiz wären: Paragraf 188 – „gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung“. Ein BBC-Journalist sei ausgewiesen worden, wegen „Bedrohung der öffentlichen Ordnung“. Bei uns heißt das allerdings „Gefahr für die Demokratie“.

Nach Deutschland und der Türkei ist jetzt Amerika dran: „Trumps Kampf gegen die Pressefreiheit in den USA“ ist das Thema, und von „Beleidigungen und Bedrohungen“ sind diesmal nicht die Politiker betroffen, sondern die Journalisten. „So wird unliebsamen Medien inzwischen der Zugang zu Pressekonferenzen im Weißen Haus verwehrt“, heißt es, und ein Vertreter der Reporter ohne Grenzen spricht von einem „systematischen Angriff auf die Demokratie“, denn: „Ohne Pressefreiheit gibt es keine Demokratie.“

Und das würde sicher auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser unterschreiben, die widerrechtlich das Compact-Magazin verbot.

Der Republikaner Brendan Carr, der federführend am Project 2025, einem fast 1000 Seiten langen Dokument eines „rechten Thinktanks“ beteiligt war, sei zum Leiter der staatlichen Medienaufsicht ernannt worden und jetzt gebe es „Untersuchungen gegen Medienhäuser, die wegen kritischer Trump-Berichterstattung in Ungnade gefallen sind, darunter TV-Sender CBS, ABC und NBC.“ Carr wurde von Donald Trump als „Kämpfer für die freie Meinungsäußerung“ gelobt. Elon Musk wollte Carr, weil man „das Zensurkartell auflösen und das Recht auf freie Meinungsäußerung für jeden Amerikaner wiederherstellen“ müsse.

Brendan Carr: Ein Konservativer als Leiter der US-Medienaufsicht – für DLF-Journalisten der GAU.

Das klingt in den Ohren deutschen Gesinnungsjournalisten bedrohlich. Dass Trump den Auslandssender Voice of America schließen wolle, erinnere den Historiker Dr. Thomas Zimmer von der Georgetown University in Washington, D.C. an „Attacken auf andere Demokratien dieser Welt“. Der sagt „Überall dort, wo es jetzt in den letzten, sagen wir mal, 15 Jahren oder so gelungen ist, Demokratien zu Fall zu bringen, sehen wir genau das: genau diese sozusagen systematische Mobilisierung des Staatsapparates und des Rechtssystems, um zumindest diesen permanenten Druck auszuüben, diese Drohkulisse aufzubauen gegen Medienunternehmen.“

Welche Demokratien das sein sollen und warum Thomas Zimmer und Sascha Wandhöfer bei anderen sehen, was sie bei uns nicht sehen oder gar abfeiern, bleibt das kleine Geheimnis des Deutschlandfunks, der nicht in Verdacht steht, den Staat verfassungsschutzrelevant zu „delegitimieren“ oder „Hass und Hetze“ zu verbreiten. Dafür bescheinigt er den Mächtigen, keinen Angriff auf die Meinungsfreiheit zu starten, jedenfalls wenn sie nicht in Washington sitzen.

Manche Deutschlandfunk-Sendungen atmen wirklich einen bemerkenswerten Ungeist.

Lesen Sie dazu auch: Vom rechten Tabubruch zum „klugen Taktierer“: Wie Correctiv plötzlich Merz abfeiert

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