
Amerikas Rechte haben derzeit eine diebische Freude daran, Europa und namentlich die Deutschen daran zu erinnern, dass die freie Rede Grundbedingung der Demokratie ist. Über autoritäres Gehabe und Zensurbestrebungen machen sie sich lustig. Aber sie meinen es in der Sache durchaus ernst. Statt sich zu empören, sollte die tonangebende politische Klasse lieber in sich gehen.
Rechtsradikale hat man sich eigentlich immer anders vorgestellt. Aber Robert Habeck hat Elon Musk in der ARD-Wahlarena soeben „rechtsradikale Fantasien“ unterstellt. Einem Mann, auf dessen Social-Media-Plattform X der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck hemmungslos linken Wahlkampf macht. Wäre Musk nur halb so autoritär gestimmt wie Habeck, würde er ihn verklagen – dem Grünen reicht ja bekanntlich die Titulierung als „Schwachkopf“, um dem Übeltäter die Polizei auf den Hals zu hetzen.
Doch Musk denkt gar nicht daran. „Ich amüsiere mich endlos über die unendlichen Demütigungen, die ich auf der Plattform erleide, die mir gehört“, schrieb er jüngst bei X / Twitter. Der Tech-Milliardär pflegt nun mal ein anderes, großzügigeres Verständnis von Meinungsfreiheit als deutsche Regierungsmitglieder. „Sie unterdrücken die Meinungsfreiheit und stecken Menschen ins Gefängnis, wenn sie auch nur leichte Kritik an Politikern oder Posts in den sozialen Medien üben. Das ist verrückt! Das ist ein totalitärer Ansatz“, sagte Musk vor einigen Tagen in einer Videoansprache. „Die derzeitige Regierung unterdrückt die Meinungsfreiheit, und zwar sehr aggressiv.“
Elon Musk erlebt viel „Hass und Hetze“, steckt es aber locker weg.
Längst ist die amerikanische Rechte auf die Zensur in Europa, speziell in Deutschland, aufmerksam geworden. Das Phänomen ist ihnen ja nicht fremd, die Regierungen von Barack Obama und Joe Biden haben es an ihnen selbst exerziert. Vizepräsident J.D. Vance hat es in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor wenigen Tagen angesprochen. Doch die linke Herrschaft in den Vereinigten Staaten ist gebrochen, und der Wind der Freiheit weht nun aus der Neuen Welt herüber.
Er weht auch in Europa selbst, immer mehr Bürger europäischer Länder haben linke Regierungen abgewählt, weil sie sich Bevormundung und Überforderung durch Migration nicht mehr bieten lassen wollten. Die Wahlen von Schweden über die Niederlande bis nach Österreich und Italien zeigen es. Allerdings thront da noch immer das verstockte Deutschland, das die von Musk erwähnten totalitären Ansätze unverdrossen pflegt und damit auch Europa und die europäisch-amerikanischen Beziehungen belastet. Vance sprach versöhnlich vom woken Irrweg in den USA, der nach Europa ausgestrahlt habe, und bot an, sich gemeinsam auf die demokratischen Werte, zu denen die Meinungsfreiheit unbedingt gehört, zurückzubesinnen.
Dass es gerade die Deutschen sind, die mit Empörung reagieren, zeigt, dass sie sich angesprochen fühlen – und Vance hat ja auch sie gemeint. Oder besser: die deutsche Politik, die unbarmherzig abweichende Meinungen und auch milden Spott gern unter dem Label „Hass & Hetze“ verfolgen lässt, wie es der Bericht in „60 Minutes“ zeigt (NIUS berichtete).
Dass die Polizei beim „Aktionstag gegen Hasskriminalität im Netz“ in Niedersachsen mit Hausdurchsuchungen gegen mutmaßlich strafbare Online-Postings vorging, macht Amerikaner fassungslos – und sorgt für jede Menge Spott in den sozialen Netzwerken. Ein Meme oder eine Beleidigung sollen Verbrechen sein? Hausdurchsuchung wegen „Schwachkopf“? Ernsthaft?
Der Account End Wokeness zitiert aus dem TV-Bericht:CBS: „Ist das Posten einer Beleidigung ein Verbrechen?“Deutsche Staatsanwälte: „Ja.“
CBS: „Ist es ein Verbrechen, eine Lüge zu posten?“Deutsche Staatsanwälte: „Ja.“
Dazu meinte Vice President Vance: „Jemanden zu beleidigen ist kein Verbrechen, und die Kriminalisierung von Sprache wird die Beziehungen zwischen Europa und den USA stark belasten. Das ist wie bei Orwell, und jeder in Europa und den USA muss diesen Irrsinn ablehnen.“
„Jemanden zu beleidigen, ist kein Verbrechen“, stellte J.D. Vance fest.
Weil sie anhand von Kriminalitäts-Statistiken den hohen Anteil afghanischer Verbrecher thematisierte, musste die Userin Marie-Thérèse Kaiser 6000 Euro zahlen. Hier sei noch einmal J.D. Vance zitiert: „Ich finde es immer wieder lustig, dass ‚Hören Sie auf Ihr Volk, wenn es gegen Massenmigration ist‘ und ‚Zensur ist schlecht‘ als ‚Bedrohung für die Demokratie‘ behandelt wird. Wissen Sie, was ‚Demokratie‘ eigentlich bedeutet?“
Neben dem diebischen Vergnügen, das selbstgerechte politische Establishment in Deutschland zu triggern und auf die Zinne zu treiben, ist allerdings auch klar zu erkennen, dass es nicht nur darum geht, ihm seine autoritäre Ader aufzuzeigen – sondern auch darum, sie ihr auszutreiben. Amerika hat Deutschland als so ziemlich letzte Bastion der linken Hegemonie identifiziert und macht sich nun an die Disruption. Es weiß dabei die meisten Bürger hierzulande auf seiner Seite. Die Sehnsucht nach klaren Worten aus dem Munde Trumps, Musks oder Vance‘ teilen zahllose Menschen, die sich vom Kommissar-Sprech aus Brüssel und Berlin nur noch angewidert abwenden.
Sich über die Art, mit der sich der Staat übergriffig gegen renitente Bürger wendet, lustig zu machen, ist das Eine. Dahinter steht aber auch die Drohung, dieses demokratiefeindliche Gebaren nicht länger hinzunehmen. Wollen die Parteien, die sich neuerdings „demokratische Mitte“ nennen, aber ein Fünftel bis ein Viertel der Wähler von demokratischen Entscheidungsprozessen ausschließen, wirklich die transatlantische Partnerschaft infrage stellen?Der freie Westen, hat J.D. Vance festgestellt, muss sich bewusst werden, was er letztlich verteidigen will. Und die Meinungsfreiheit gehört für ihn zum Fundament der Demokratie. Warum sollten die USA sich an Artikel 5 des NATO-Vertrags halten, dessen Kernelement den Bündnisfall regelt (also einen Angriff auf einen Partnerstaat als Angriff auf alle zu werten), wenn sich Europa bzw. Deutschland die Meinungsfreiheit unter dem Vorwand, „unsere Demokratie“ schützen zu wollen, bekämpft?
Vance sagte in München, es sehe „zunehmend so aus, als würden alte, etablierte Interessen sich hinter hässlichen, sowjetisch anmutenden Begriffen wie ‚Fehlinformation‘ und ‚Desinformation’ verstecken, weil Sie einfach nicht ertragen können, dass jemand mit einer alternativen Sichtweise eine andere Meinung äußert, geschweige denn anders wählt oder – Gott bewahre – eine Wahl gewinnt.“
J.D. Vance las den Europäern und namentlich den Deutschen in München die Leviten.
„Demokratie fußt auf dem heiligen Prinzip, dass die Stimme des Volkes zählt. Es gibt dafür keine Brandmauer“, hatte er schon vor einigen Monaten festgestellt. Kein Zweifel, Amerika baut nun Druck auf, zusätzlich zu dem, der im Inneren „unserer Demokratie“ brodelt. Noch klammern sich die Wahlverlierer wie angeschlagene Boxer aneinander, so wie bereits in Frankreich und Österreich erlebt. Es gilt jedoch, dem Wählerwillen wieder Raum zu verschaffen. Die stärkste oder zweitstärkste Partei dauerhaft auszuschließen, kann nicht nur kein zukunftssicheres Konzept sein, es ist schlicht undemokratisch. Auch Elon Musk hat die Nase voll davon, dass Deutschland so viele Nutzerdaten von X anfragt wie kein anderes Land in der EU. Weil die meisten Anfragen (etwa 87 Prozent) bei großen Tech-Unternehmen wie Google, Meta, Microsoft und Apple auf „Straftaten im Zusammenhang mit Meinungsäußerungen“ abzielen, geht die Plattform nun gegen die „rechtswidrigen Forderungen“ und Übergriffe „in die Privatsphäre und die Meinungsfreiheit unserer Nutzer“ vor deutschen Gerichten vor. Zwei Organisationen, Democracy Reporting International und die Gesellschaft für Freiheitsrechte, hatten Klage gegen X eingereicht, um uneingeschränkten Zugriff auf die Echtzeitdaten von X über alle Benutzerbeiträge auf der Plattform zu erhalten, und von einem offenbar befangenen Richter – Recht bekommen.
„Ist es Zeit, Deutschland wieder zu befreien?“, fragte ein User auf X, und Elon Musk antwortete: „Ja, ernsthaft.“ Man sollte das dem gern auch mal unernsten Musk durchaus glauben, statt ihm, wie Friedrich Merz, mit wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Konsequenzen zu drohen, weil er es gewagt hat, sich zur deutschen Politik zu äußern. Aus purem Trotz oder kleinlichem parteipolitischem Kalkül sollten es sich die Verantwortlichen in Deutschland nicht mit Amerika verscherzen, sondern besser überlegen, ob an den Worten des US-Vizepräsidenten nicht doch was dran ist und man sich auf die Gemeinsamkeiten des freien Westens besinnen sollte. Sonst sind es wieder mal die Deutschen, die zu spät kommen und vom Leben bestraft werden.
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