Neue Richtlinie fordert Zoll-Mitarbeiter zur „aktiven Verteidigung der Demokratie“ auf

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: NiUS

In den Reihen der deutschen Zollbehörde soll nun die Demokratie verteidigt werden: Eine interne Rundmail der Generalzolldirektion (GZD) vom 28. August 2025 fordert die rund 50.000 Mitarbeiter auf, sich aktiv für die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ einzusetzen und bei verdächtigen Äußerungen Kollegen zu melden. Unterzeichnet von Präsident Dr. Armin Rolfink, der seit Oktober 2024 im Amt ist, liest sich das Schreiben wie ein Leitfaden zur Selbstzensur und Gesinnungsprüfung, der Misstrauen schürt und die Meinungsäußerungsfreiheit einschränkt.

Die Mitteilung, die NIUS aus Kreisen der Zollstelle in Potsdam zugespielt worden war, aber bundesweit versendet worden sein soll, betont die „Verhaltenspflichten von Beschäftigten im öffentlichen Dienst“ und warnt vor „extremistischen Tendenzen“. „Weil auch Gleichstellung, Diversität und Vielfalt zum Selbstverständnis des Zolls gehören, ist es wichtig, einen offenen, wertschätzenden und inklusiven Umgang aller Beschäftigten unabhängig von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung zu fördern“, heißt es darin. Doch der Ton wird schnell mahnend: Mitarbeiter sollen „aktiv für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten“ und bei „verdächtigen“ Äußerungen ein „Vier-Augen-Gespräch“ suchen. Fruchtet das nicht, ist der Vorgesetzte zu kontaktieren – eine Aufforderung, die an Denunziationssysteme erinnert.

Ein Zollbeamter an der deutschen Grenze kontrolliert Autos.

Besonders brisant: Die Richtlinie verknüpft die berufliche Neutralität mit dem privaten Verhalten. „Beamte und Beamtinnen unterliegen einer besonderen Verfassungstreuepflicht. Sie müssen sich jederzeit, d.h. inner- und außerdienstlich, durch ihr Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und aktiv für deren Erhaltung eintreten (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG)“, zitiert das Dokument das Beamtenrecht. Politische Meinungsäußerungen, bei denen „die Neutralität und Verfassungstreue der öffentlichen Verwaltung gewahrt bleiben“, werden als Grenze markiert. Wer sich zu Themen wie Migration oder gesellschaftlicher Vielfalt äußert, riskiert, als „extremistisch“ abgestempelt zu werden. „Distanzen, Indifferenz oder Neutralität gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist mit dieser Pflicht nicht zu vereinbaren“, warnt das Schreiben explizit.

Der deutsche Zoll ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen und dient als zentrale Instanz für die Grenzsicherung und Abgabenverwaltung in Deutschland. Zu seinen Kernaufgaben gehören die Abfertigung von Warenimporten und -exporten, die Erhebung von Zöllen, Verbrauchsteuern (z. B. auf Energie, Tabak und Alkohol) sowie der Einfuhrumsatzsteuer, die Bekämpfung von Schmuggel, Schwarzarbeit, organisierter Kriminalität und Geldwäsche sowie der Schutz der EU vor illegalen Warenströmen. Mit rund 48.000 Mitarbeitern, darunter Beamte, Tarifbeschäftigte und etwa 5.000 Auszubildende, ist der Zoll eine der größten Verwaltungen des Bundes.

Ergänzend zu dieser Rundmail wird nun ein obligatorisches E-Learning-Modul des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) für alle Zollmitarbeiter eingeführt, das die Prüfung der „demokratischen Gesinnung“ noch weiter vertieft. Unter dem Titel „Radikalisierung und Extremismus erkennen“ – mit dem Slogan „Im Auftrag der Demokratie“ – müssen die Beschäftigten des Zolls, eigentlich Bollwerk gegen Schmuggel und illegale Einreisen, eine Serie von Pflichtmodulen durchlaufen, die explizit auf das Erkennen und Stoppen von Extremismus abzielen. Der Kurs, zugänglich über eine interne Plattform, beginnt mit einem Willkommensbildschirm, der die deutsche Flagge vor einem historischen Gebäude zeigt und mit „Mit einem Klick auf Start geht’s los“ einlädt. Doch hinter der harmlosen Oberfläche lauern Inhalte, die Kritiker als Indoktrination empfinden. Die Pflichtmodule, die allesamt „erfolgreich zu beenden“ sind, umfassen Themen wie:

Mitarbeiter sollen künftig nicht nur selbst die richtige Anschauung teilen – sondern auch proaktiv Kollegen beobachten.

Neben diesen Pflichtteilen gibt es Wahlmodule für vertiefende Themen sowie einen Kursabschluss und eine Medienbibliothek. Internen Quellen zufolge fühlt sich der Kurs wie eine Verlängerung der Rundmail an: „Es geht darum, dass man nichts mehr sagen kann, ohne überwacht zu werden“, berichtet ein Mitarbeiter gegenüber NIUS. Die Integration dieses Verfassungsschutz-Kurses in den Alltag des Zolls unterstreicht, wie weit die Kontrolle reicht – von theoretischen Schulungen bis hin zu praktischen Meldemechanismen. „Der Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist keine Selbstverständlichkeit. Der öffentliche Dienst trägt eine besondere Verantwortung“, betont Rolfink in der Mitteilung.

Die Generalzolldirektion selbst sieht in der Rundmail lediglich eine „Sensibilisierung aller Beschäftigten“. Sie diene der Information und erkläre die „dienstlichen Pflichten im Zusammenhang mit extremistischen Äußerungen und Handlungen“. Dennoch: In einer Demokratie, die auf freier Meinungsäußerung basiert, wirft diese Initiative Fragen auf. Wer definiert „Extremismus“? Und wo endet die Treuepflicht, wo beginnt die Gesinnungskontrolle?

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