
Es sollte der Startschuss der Asylwende werden. Nach dem Attentat in Aschaffenburg, bei dem ein zweijähriger Marokkaner von einem abgelehnten Asylbewerber erstochen wurde, kündigte CDU-Chef Friedrich Merz Zurückweisungen an allen deutschen Grenzen an – auch bei Menschen mit Schutzstatus.
Nach der Wahl wurde der Kanzlerkandidat von seinen angehenden Koalitionspartnern der SPD gebremst. „Der Oppositionsführer hat mit markigen Worten große Ankündigungen gemacht, die zum Teil nicht neu und rechtlich sehr fragwürdig sind“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, der Deutschen Presse-Agentur.
Ein internes Dokument aus dem von der SPD geführten Innenministerium behauptet jetzt das Gegenteil, wie Bild berichtet. Die Behauptung aus dem Kanzleramt, dass Zurückweisungen europarechtlich unzulässig wären, sei juristischer Unsinn. Im Vermerk des Rechtsreferats vom 26. Februar 2025 vertreten die Beamten die Ansicht, dass „die Europäische Kommission im Dezember 2024 im Zusammenhang mit hybriden Bedrohungen die Rechtsauffassung vertreten hat, dass Artikel 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auch anwendbar erscheint in Fällen eines durch einen Drittstaat gesteuerten Zustroms“, zitiert Bild den elfseitigen Vermerk auf Seite fünf.
In den Sondierungsverhandlungen von Union und SPD haben sich die Parteien auf „Zurückweisungen an den Staatsgrenzen in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn“ geeinigt. Wiese betonte gegenüber Bild erneut, dass er aus dieser Formulierung das „Einvernehmen“ der Nachbarländer herauslese. Da gebe es „wenig Interpretationsspielraum“. Die Union will hingegen auch ohne Zustimmung der Nachbarländer zurückweisen. „Wir machen uns nicht abhängig von der Zustimmung der anderen Länder“, sagte Spahn zu Table.Media.
In der Basis der Union werden derweil zunehmend Stimmen laut, die der Unionsspitze vorwerfen, sich in der Migrationsfrage zu wenig durchzusetzen. Der Chef des konservativen Zusammenschlusses „Heimatunion“ betonte, dass eine Mehrheit der Bürger für einen von der Union versprochenen Politikwechsel gestimmt habe. Die Sondierungspapiere werden den Ansprüchen nicht gerecht. Könne die Union dieses Problem nicht lösen, würden die gesellschaftlichen Spannungen weiter zunehmen. „Umfragen haben gezeigt, dass die Mehrheit in Deutschland der CDU die Hauptschuld an der Migrationskrise gibt“, so Eppinger.