
Eine NIUS-Recherche zeigt: Durch die Streichung von 25 Beauftragtenposten spart die Bundesregierung kaum Geld und Bürokratie ein. Union und SPD zünden also eine Nebelkerze. Die Beauftragtenposten, die hohe Kosten verursachen, bleiben hingegen unangetastet. Gleichzeitig wurde die Zahl der Parlamentarischen Staatssekretäre unter Friedrich Merz sogar erhöht.
Noch am Tag seiner Kanzlerwahl setzte Friedrich Merz den Rotstift an. Per Kanzlererlass ließ er 25 von 43 Beauftragtenposten des Bundes streichen. Das Zeichen, das damit gesetzt werden sollte, war klar: Union und SPD nehmen den angekündigten Bürokratieabbau ernst. Schon im Koalitionsvertrag hatten beide Parteien vereinbart, die Beauftragten des Bundes zu halbieren. Friedrich Merz hatte im Wahlkampf sogar noch mehr versprochen. Er kritisierte einen „aufgeblähten Wasserkopf in den Berliner Amtsstuben“ und sah die Beauftragten „mehr Probleme schaffen, als sie jemals in der Lage sind zu lösen“. Den einzigen Beauftragten, den man wirklich brauche, so Merz damals, sei der Wehrbeauftragte. Alle anderen Aufgaben könnten in Ministerien gelöst werden.
Doch eine Recherche von NIUS macht klar, dass die Abschaffung der 25 Posten eine reine Nebelkerze der unionsgeführten Regierung ist. Durch die Entscheidung wird kaum Geld eingespart. Knapp ein Drittel der gestrichenen Posten wurde zuvor ohnehin von Staatssekretären ausgeübt. Ein separates Gehalt gab es nicht, von daher waren auch die Kosten äußerst gering. Andere Beauftragtenstellen wurden von Bundestagsabgeordneten ausgefüllt. Manche Stellen liefen ohnehin aus.
Die Beauftragten mit hohen Personalstellen und entsprechend hohen Gesamtausgaben bleiben hingegen unangetastet. Sie werden nicht gestrichen. Beispielhaft hierfür ist der Posten der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration (67 Planstellen) oder der Beauftragte für Ostdeutschland (46 Planstellen). Auch die gesetzlich festgeschriebene Stelle der Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung bleibt bestehen. Die Amtszeit von Ferda Ataman endet regulär erst im Juli 2027. Für alle diese Posten werden also weiterhin Millionen aufgewendet.
Stattdessen wurden Beauftragtenposten gestrichen, die kaum oder nur wenig Kosten verursacht haben. So hat das Bundeskabinett beispielsweise entschieden, beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie den Rotstift anzusetzen. Mit sofortiger Wirkung wurden hier vier Posten abgeschafft: der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die Umsetzung der Internationalen Initiative für mehr Transparenz im rohstoffgewinnenden Sektor (EITI), der Koordinator für die Deutsche Luft- und Raumfahrt, der Koordinator für strategische Auslandsprojekte sowie der Koordinator für Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau.
Doch welche Kosten hatten diese Beauftragten verursacht?
Die Regierung hatte sich im Koalitionsvertrag auf die Streichung von mehreren Beauftragtenposten geeinigt.
Das Wirtschaftsministerium teilt auf NIUS-Anfrage mit: „Die Funktion der Beauftragten der Bundesregierung für die EITI-Umsetzung wurde jeweils durch eine Parlamentarische Staatssekretärin (mit)ausgeübt und anfallende Tätigkeiten und Aufgaben durch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter miterledigt. Es entstanden für die Beauftragtenfunktion keine zusätzlichen Kosten, die der Beauftragtenfunktion zuzuordnen wären.“
An anderer Stelle wurde ebenfalls kein Geld aufgewendet: „Während der kurzen Zeit der Ausübung der Funktion des Koordinators der Bundesregierung für Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau entstanden im BMWi/BMWK 2021/2022 keine zusätzlichen Kosten, da die Tätigkeit von einem Mitarbeiter des Hauses (mit-)erledigt wurde (es wurde kein zusätzliches Personal verwendet)“, teilt das Ministerium mit.
Auch „strategische Auslandsprojekte“ wurden lediglich durch einen Staatssekretär ausgeübt. Zusätzliche Kosten gab es nicht. „Die Funktion des Koordinators der Bundesregierung für strategische Auslandsprojekte wurde ab 2024 durch einen Staatssekretär (mit)ausgeübt und anfallende Tätigkeiten und Aufgaben durch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter miterledigt“, heißt es aus der Behörde von Katherina Reiche (CDU). „Es entstanden für die Beauftragtenfunktion keine zusätzlichen Kosten, die der Beauftragtenfunktion zuzuordnen wären.“
Der Koordinator für Luft- und Raumfahrt hat unterdessen nur geringe Kosten verursacht. Der Sprecher des Wirtschaftsministeriums erklärt: „Die Kosten für den Posten des Koordinators/der Koordinatorin für die Luft- und Raumfahrt betrugen ab dem Jahr 2020 jährlich bis zu 60.350 Euro für Aufwandsentschädigung und Sachkosten. Die zwei Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter, die für den Koordinator tätig waren, gehör(t)en zum Bestandspersonal des BMWK. Sie mussten dafür von anderen Aufgaben bzw. Tätigkeiten im Haus abgezogen werden. Es entstanden durch den Einsatz beim Koordinator für das BMWK also keine zusätzlichen Personalkosten.“
Somit spart der Staat durch die Streichung dieser vier Stellen auch kaum Geld ein.
Ähnlich sieht es beim Innenministerium aus: Hier soll der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik abgeschafft werden. Da die Funktion jedoch durch einen beamteten Staatssekretär ausgeübt wurde, fielen hier gar keine Kosten an. Es gab auch keinen Mitarbeiterstab, wie das Innenministerium auf Anfrage von NIUS erklärt.
Anders sieht es bei Joachim Stamp aus, der seit dem 1. Februar 2023 die Rolle des Sonderbevollmächtigten der Bundesregierung für Migrationsabkommen ausfüllte. Dieser Posten war ebenfalls beim Innenministerium angesiedelt. Zuletzt hatte er für seine Arbeit fünf Mitarbeiter. „Die bislang von ihnen wahrgenommenen Aufgaben werden, entsprechend des Kabinettbeschlusses, künftig in den fachlich zuständigen Organisationseinheiten wahrgenommen“, heißt es aus dem BMI. Eine riesige Einsparung ist also auch hier nicht zu erwarten.
Der FDP-Politiker Joachim Stamp war jahrelang Beauftragter der Bundesregierung für Migrationsabkommen.
Eine Anfrage beim Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen liefert ähnliche Ergebnisse. Hier wurden durch den Erlass des Bundeskanzlers am 6. Mai zwei Stellen gestrichen: die Funktion der Berlin/Bonn-Beauftragten und der Posten des Bundes-Energiebeauftragten.
Doch Geld wird hier nicht eingespart: „Für die Beauftragte der Bundesregierung für den Berlin Umzug und den Bonn Ausgleich (Berlin/Bonn-Beauftragte) fielen in den Jahren 2020-2025 keine zusätzlichen Kosten an, da die Funktion durch die Ministerin selbst ohne zusätzliche Vergütung wahrgenommen wurde“, schreibt die Pressestelle. „Eine Veränderung bei den Planstellen im fachlich zuständigen Referat fand in den Jahren 2020-2025 nicht statt.“
Bei der anderen Beauftragtenstelle sieht es ähnlich aus: „Die Tätigkeit des Bundes-Energiebeauftragten wird in Personalunion durch den Referatsleiter Dr. Olaf Böttcher ausgeübt, unterstützt durch Referat WB 7 ‚Klimaneutralität im Gebäudebetrieb‘ im BBSR im BBR. Dr. Böttcher ist Technischer Regierungsdirektor und wird entsprechend seiner Tätigkeit als Referatsleiter vergütet. Zusätzliche Leistungen im Zusammenhang mit seiner Funktion als Bundes-Energiebeauftragter sind nicht vorgesehen.“
Auch das Auswärtige Amt ist von einer massiven Streichung der Beauftragten betroffen. Dort sind ganze fünf Posten auf der Streichliste. Auf Anfrage von NIUS teilt das Außenministerium mit: „Der Kabinettsbeschluss zur Abschaffung zahlreicher Beauftragter und Koordinatoren dient der Umsetzung eines zentralen Wahlversprechens: der Verschlankung des Regierungsapparats. Im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts sind davon das Amt der Sonderbeauftragten für internationale Klimapolitik, das Amt des Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die Länder des westlichen Balkans, das Amt der Botschafterin für feministische Außenpolitik und Beauftragte für Menschenrechte und globale Gesundheit im Auswärtigen Amt und das Amt des Sonderbeauftragten des Auswärtigen Amts für Libyen.“
Doch tatsächlich wird auch hier nichts verschlankt. „Sofern die Koordinatoren und Beauftragten dem Haushalt und den Haushaltsstellen des Auswärtigen Amts geführt wurden, gehören sie zum regulären Stellenbestand des Auswärtigen Amts. Nach Auflösung der Funktion für andere Aufgaben des Auswärtigen Amts eingesetzt. Einzige Ausnahme war der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die Länder des westlichen Balkans. Die für seine Tätigkeiten ausgezahlte Aufwandsentschädigung entfällt zukünftig.
Keine Streichungen sind hingegen beim Bundeskanzleramt vorgesehen. Hier angesiedelt ist der Posten von Natalie Pawlik (SPD), die als Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie als Beauftragte für Antirassismus tätig ist. Derzeit arbeiten hier 67 Mitarbeiter. Das Budget stieg zwischenzeitlich von 33,8 Millionen Euro (2020) auf 41,4 Millionen Euro (2023). Im vergangenen Jahr lag die Summe bei 35,7 Millionen Euro.
Natalie Pawlik ist die neue Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration.
Das Bundeskanzleramt ist auch für den Posten der Beauftragten für Ostdeutschland zuständig. Seit dem 6. Mai hat Elisabeth Kaiser (SPD) diesen Posten inne. Hier wurde innerhalb kürzester Zeit die Mitarbeiterzahl von 22 (2022) auf 46 (2024) hochgeschraubt. Wurden hier 2022 noch 4,2 Millionen Euro ausgegeben, sind für 2025 im Bundeshaushalt 18,7 Millionen Euro vorgesehen.
Auch beim Familienministerium sind keine Streichungen vorgesehen. Hier jedoch finden sich mehrere große Beauftragtenposten mit einer erheblichen Mitarbeiterzahl.
Die Mitarbeiterzahl der Antidiskriminierungsbeauftragten stieg von 27,6 Stellen (2020) auf mittlerweile 42,5 Stellen (2025). Gleichzeitig war auch das Budget der Beauftragten von 4,8 Millionen Euro auf 14,1 Millionen Euro (2024) gestiegen. In diesem Jahr sind bislang 10,1 Millionen Euro eingeplant, wobei es noch keinen endgültigen Haushalt gibt. Dieser Posten ist gesetzlich verankert. Aller Voraussicht nach bleibt Ferda Ataman bis 2027 im Amt.
Spannend bleibt auch die Personalie des „Queer-Beauftragten“, wo in den vergangenen Jahren vier Mitarbeiter tätig waren. Bleibt der Posten erhalten oder fällt er weg? In der Streichliste der Bundesregierung taucht die Stelle nicht auf. Das Ministerium schreibt auf Anfrage von NIUS lediglich: „Die Rolle des Beauftragten der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt wurde in der vergangenen Wahlperiode durch den Parlamentarischen Staatssekretär Sven Lehmann wahrgenommen, dessen Amtszeit ebenfalls endete.“
Der ehemalige Queer-Beauftragte Sven Lehmann
Doch was soll das bedeuten? Gibt es in der jetzigen Legislaturperiode keinen Queer-Beauftragten? Oder übernimmt ein Staatssekretär die Aufgaben von Sven Lehmann? Wenn ja, welcher der Staatssekretäre ist es? Auf nochmalige Nachfrage von NIUS heißt es: „Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass es für alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, selbstverständlich sein muss, gleichberechtigt, diskriminierungs- und gewaltfrei leben zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Maßnahmen ergriffen, um das Bewusstsein zu schaffen, zu sensibilisieren und den Zusammenhalt sowie das Miteinander zu stärken. Die konkrete Umsetzung dieser Maßnahmen wird in den kommenden Wochen festgelegt.“
Wieder antwortet man also ausweichend. Offenbar ist man sich im Ministerium unsicher. Ministerin Karin Prien (CDU) ist in einer Zwickmühle: Schafft sie die Beauftragtenstelle ab, würde das für Empörung bei der Queer-Lobby und bei den linken Parteien sorgen – inklusive des eigenen Koalitionspartners. Schafft sie den hochideologischen Posten hingegen nicht ab, verspielt die Union weitere Sympathiepunkte an ihrer Basis.
Kürzlich hatte auch Table.Media-Journalist Mathias Bröcker den CDU-Generalsekretär zur Causa Beauftragtenwesen befragt. Angesprochen auf den Bluff bei der Streichung der Beauftragten, geriet Carsten Linnemann ins Wanken. „Das sind Etiketten, die da abgeschraubt werden“, warf Bröcker dem CDU-Mann vor. Es gebe gar keine „Stäbe und Mitarbeiter“, die eingespart werden. Bröcker wollte eine Summe wissen. Was spart der Staat durch die Streichung der Beauftragten ein? „Ich glaube, dass das schwierig ist zu summieren“, antwortete Linnemann ausweichend.
Die AfD spricht indes von einer Schaufensterinitiative. „Das angebliche Ausmisten bei den Beauftragten ist nur eine weitere Nebelkerze, mit der die Union versucht, frustrierte Wähler zu beruhigen“, erklärt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Sebastian Münzenmaier, im Gespräch mit NIUS. „Wenn es die Union ernst meinen würde mit der versprochenen Verschlankung des Staatsapparats, dann müsste sie an die echten Wasserköpfe ran: Antidiskriminierungsbeauftragte, Integrationsbeauftragte, Antirassismusbeauftragte, Queer-Beauftragter oder Polizeibeauftragter. Das sind die wahren völlig aufgeblähten Apparate mit dutzenden Planstellen und Dienstposten. Diese müssten ersatzlos gestrichen werden, das würde eine echte Einsparung bedeuten. Aber da traut sich die Union aus Angst vor der SPD nicht ran. Und deswegen können die Atamans und Cos. auch weiter ungehindert ihre linksgrüne Propaganda auf Steuerzahlerkosten unters Volk bringen.“
Interessant ist zudem: An anderer Stelle stockt die Bundesregierung sogar auf. Statt 37 Parlamentarische Staatssekretäre arbeiten für die neue Regierung nun 38 Parlamentarische Staatssekretäre. Die Kosten für nur einen Parlamentarischen Staatssekretär belaufen sich auf jährlich über 500.000 Euro. Das führt zu einer absurden Situation: Die Kosten für das neue Digitalministerium und den zusätzlichen Staatssekretär dürften die Einsparungen bei den Beauftragten übersteigen.
Diese 25 Beauftragten wurden von Friedrich Merz am 6. Mai per Erlass abgeschafft:
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