
Am Wochenende beendeten Union und SPD ihre Sondierungsgespräche für eine neue Bundesregierung. Die Ergebnisse lassen am Verhandlungstalent der Unionsgranden zweifeln. In der Energiepolitik zeigt sich besonders, dass die Union letztlich vollständig einer SPD-Agenda folgen wird. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch das Sondierungspapier.
Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD.
Der Knaller der Sondierung ist die Bereitschaft der drei Parteien SPD, CDU und CSU, die Defizite deutscher Politik mit neuen Schulden zuzukleistern. Wörtlich heißt es: Mit einem Sondervermögen von 500 Milliarden Euro bringen wir unser Land wieder in Form – durch Investitionen in Straßen, Schienen, Bildung, Digitalisierung, Energie und Gesundheit.
Mit einem weiteren Schuldenpaket in ähnlicher Höhe soll die Wehrfähigkeit Deutschlands wiederhergestellt werden. Was gut klingt und als notwendig verkauft wird, soll allerdings ohne auch nur kleinste Strukturreformen erreicht werden. Von diesen ist im Sondierungspapier nicht die Rede. Wenn Brücken zu lange baufällig bleiben, scheitert die Reparatur zumeist nicht am Geld, sondern an fehlenden Planern und zu komplizierter Bürokratie.
Im Feld der Energiepolitik wird berechtigterweise erkannt, dass die Kosten für den Energieverbrauch viel zu hoch sind. Die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis sind dann allerdings eine direkte Fortsetzung der abgewählten Ampelpolitik.
Seit Jahren ist in der Diskussion, in einem ersten Schritt die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß zu senken und die Übertragungsnetzentgelte zu halbieren. Davon profitiert die energieintensive Industrie allerdings nicht, da sie davon bereits befreit ist. Dem Steuerzahler werden damit unkalkulierbare Lasten aufgebürdet: So sollen Netzentgelte langfristig gedeckelt und eine Strompreiskompensation auf weitere energieintensive Branchen ausgeweitet werden.
Das Kohlekraftwerk Lippendorf Anfang 2025. Restkraftwerke, vor allen Dingen Kohlekraftwerke, sollen in den dauerhaften Leistungsbetrieb für die nächsten 5 Jahre zurückgeholt werden.
In der Tat ist die Erkenntnis da, dass ein größeres Energieangebot der Stabilisierung und Reduzierung der Stromkosten dient. Gemeint wird damit von den Sondierern, dass die Reservekraftwerke – überwiegend Kohlekraftwerke – in den dauerhaften Leistungsbetrieb zurückgeholt werden, bis 2030 bis zu 20 GW an Gaskraftwerksleistung gebaut werden sollen (woher die kommen sollen, weiß allerdings niemand). Die Kraftwerksstrategie bezieht sich vornehmlich auf die Potenziale der erneuerbaren Energien.
Nicht enthalten ist die viel naheliegendere Idee, wieder in die Kernkraft einzusteigen und zumindest zu prüfen, inwieweit die existierenden Kernkraftwerke in den Leistungsbetrieb zurückgeholt werden könnten – ein Versprechen, das die Union im Wahlkampf gegeben hatte.
Abgeschaltet: Das AKW Emsland gehörte zu den letzten laufenden Kernkraftwerken.
Der fortgesetzte Ausbau der wetterabhängigen Energien Sonne und Wind ist das Einzige, was machbar ist. Allerdings wird dies die Belastung des Bundeshaushalts weiter erhöhen. Da Photovoltaik-Anlagen immer zu den gleichen Stunden beschienen werden und sich die Windkraftwerke immer gleichzeitig drehen – nämlich dann, wenn sich das Wetter gerade ändert – fallen die Stunden mit der besten Produktion auf die Zeiten mit Stromüberschüssen und niedrigen Preisen.
Solardächer und Windräder bringen bei Dunkel- und Windflauten gar nichts.
Da der Bund bei den wetterabhängigen Energien seit Juli 2022 die Differenz zwischen den Börsenpreisen für Strom und den festen Einspeisetarifen übernimmt, bedeutet ein weiterer Ausbau der wetterabhängigen Energien, dass für den Bundeshaushalt überproportional höhere Kosten anfallen. Nicht nur steigt die Menge der so subventionierten Kraftwerksleistung, auch der Differenzpreis zwischen Börsenpreis und Einspeisevergütung wird höher und höher.
Rechnen wir zusammen: Allein im Feld der Energie steigen die Zusatzbelastungen für den Bund um rund 50 Milliarden Euro jährlich. Die EEG-Vergütung wird wieder auf rund 30 Milliarden Euro ansteigen, die Quasi-Abschaffung der Stromsteuer und die Strompreisdeckelung für die Industrie werden jeweils rund 10 Milliarden Euro kosten.
Diese Mittel gibt der Bundeshaushalt nicht her und können also nur aus dem gigantischen Schuldenpaket kommen. Da das Paket auf zehn Jahre angelegt ist, sieht man schnell, dass es für die Energiesubventionen ausreichen wird, aber keine zusätzlichen Investitionen in Infrastruktur ermöglichen wird.
Letztlich wird mit dem Sondierungspapier ein „Weiter so“ festgeschrieben, das Deutschland genau in die prekäre wirtschaftliche Lage als Schlusslicht aller Industrieländer gebracht hat. Genauer sind es drei Dogmen, die dafür gesorgt haben, dass Deutschland energiepolitisch falsch abgebogen ist – ein zentrales Thema meines Buches „Schluss mit der Energiewende! Warum die deutsche Volkswirtschaft dringend Ökologischen Realismus braucht“.
Erstens wurde behauptet, Energieverbrauch müsse sich verteuern, damit die „Transformation“ besser gelinge. Ganz im Gegenteil fehlt dank der hohen Steuern und Umlagen das Geld für Investitionen.
Zweitens dürfte es historisch einmalig sein, dass in Friedenszeiten Infrastruktur zerstört wird, bevor neue Infrastruktur funktionstüchtig ist. Dass Politiker quer durch alle Parteien es widerspruchslos hinnehmen, dass Kohle- und Kernkraftwerke demoliert werden, lässt gerade ausländische Beobachter sprachlos zurück.
Am 16. August 2024 wurden die beiden Kühltürme des stillgelegten Kernkraftwerks in Grafenrheinfeld gesprengt. Derartige Unternehmungen lassen ausländische Beobachter sprachlos zurück.
Drittens hat sich Deutschland im Klimaabkommen von Paris dazu verpflichtet, die CO2-Emissionen bis zum Ende des Jahrhunderts „in Einklang mit den natürlichen Senken zu bringen“. Dafür bliebe also Zeit bis 2099. Viel schlimmer ist allerdings, dass die CO2-Senken – Ozeane, Gesteinsverwitterung und vor allem Pflanzenwachstum – desto wirkungsvoller werden, je höher die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist.
Es ist ein Skandal, dass es Forscher gibt, die der Politik erfolgreich eingeredet haben, aus der Nettonull nach den Forderungen des Pariser Klimaabkommens eine Absolut-Null zu machen. Also die Behauptung abzuleiten, Deutschland und Europa müssten die CO2-Emissionen auf null herunterfahren. Dies lässt sich mit keiner Wissenschaft begründen.
Solange im Sondierungspapier für die neue Bundesregierung der Satz steht: „Wir stehen zu den deutschen und europäischen Klimazielen“, und diese Absolut-Null-Ziele rücksichtslos weiterverfolgt werden, kann die deutsche Wirtschaft nicht wieder auf einen Wachstumspfad gebracht werden.
Sollte die CDU-Basis dieses Sondierungspapier kritiklos mittragen, würde dies das Ende der CDU als wirtschaftsnahe Partei bedeuten. Würde es umgesetzt, würde sich der Niedergang der deutschen Wirtschaft noch beschleunigen. Es bleibt zu hoffen, dass die Unions-Verhandler in den 16 Arbeitsgruppen, die ab Donnerstag den Koalitionsvertrag aushandeln, mehr Verhandlungsgeschick beweisen als ihre Chefs.
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Dr. Björn Peters ist Unternehmensberater und Physiker. Kürzlich erschien sein Buch zum Thema: „Schluss mit der Energiewende! Warum Deutschlands Volkswirtschaft dringend Ökologischen Realismus braucht.“ Sie können es hier bestellen.
Björn Peters