
Es ist ein politisch höchst brisanter Fall: Ein geschmackloser Corona-NS-Vergleich eines Corona-Kritikers landet vor Gericht – und führt nach einem Freispruch in erster Instanz schließlich doch zu einer Verurteilung. Das Amtsgericht Solingen hatte den Angeklagten zunächst freigesprochen. Doch die Staatsanwaltschaft Wuppertal legte Berufung ein, woraufhin das Landgericht Wuppertal am 20. März 2024 eine Geldstrafe wegen Volksverhetzung verhängte. Der Angeklagte zog weiter – und scheiterte mit seiner Revision nun auch vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf.
Im Kern des Urteils steckt Sprengkraft: Das Gericht untersagt nicht nur eine Gleichsetzung, sondern erklärt bereits das bloße Herstellen von Vergleichbarkeit zwischen Corona-Politik und NS-Verbrechen für unzulässig. Damit wird faktisch die Methode des historischen Vergleichs tabuisiert. Der Bielefelder Rechtsprofessor Martin Schwab, während der Corona-Zeit bundesweit bekannt geworden, spricht in einem Facebook-Post von einem „Horror-Urteil“.
Was wird ihm genau vorgeworfen: Mit Urteil vom 20. März 2024 verurteilte das Landgericht Wuppertal einen Opponenten der Corona-Maßnahmen wegen Volksverhetzung in der Variante der Verharmlosung des NS-Unrechts (§ 130 Abs. 3 StGB). Der Mann hatte eine Collage gepostet: links das KZ-Tor „Arbeit macht frei“ (beschriftet mit 1933), rechts ein Klinik-Eingang mit „Impfen macht frei“ (beschriftet mit 2021); dazwischen der zweifellos geschmacklose Satz: „Geschichte wiederholt sich.“
Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte die Entscheidung am 7. August 2025 „mit einem nichtssagenden Dreizeiler, also ohne jede Auseinandersetzung mit den Revisionsrügen“, so kritisiert es der Bielefelder Rechtsprofessor Martin Schwab in seinem Facebook-Post. Schwab wurde während der Corona-Zeit bundesweit bekannt und befasst sich darüber hinaus mit der Meinungsfreiheit und der heutigen Anwendung des Volksverhetzungsparagrafen. Sein Resümee: „Das Urteil aus Wuppertal ist ein absolutes Desaster.“
Das Landgericht Wuppertal sieht in der geposteten Collage des Corona-Maßnahmen-Kritikers eine Verharmlosung des NS-Unrechts. Zentral ist folgende Passage, in der das Gericht die Herstellung von Vergleichbarkeit faktisch untersagt:
„Zu keinem Zeitpunkt wurden Menschen wegen einer kritischen Haltung zu Corona-Maßnahmen von den Staatsträgern willkürlich verfolgt, verschleppt oder ermordet. Unter Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Ausgangssituationen liegt es auf der Hand, dass eine Vergleichbarkeit zwischen ihnen nicht hergestellt werden kann und nicht hergestellt werden darf. Denn die Annahme einer Vergleichbarkeit würde das erlittene Unrecht der Opfer von Auschwitz geradezu verhöhnen.“
Das Justizzentrum Wuppertal beherbergt auch das dortige Landgericht.
Zuvor hatten die Richter die Unterschiede wie folgt zugespitzt:
„Dagegen fanden sich die Kritiker der Corona-Schutzmaßnahmen und Impfgegner in einer schwierigen Situation, die alle Menschen der Gesellschaft ohne Rücksicht auf Herkunft, Religion etc. gleichermaßen betraf … Die Maßnahmen waren grundsätzlich justitiabel … (z.B. Impfen oder Fernbleiben, Testen oder Fernbleiben).“
Martin Schwab fragt:
„Wie sollen wir denn aus der Geschichte lernen, wenn wir nicht vergleichen dürfen? Vergleichen heißt nicht gleichsetzen – die NS-Zeit begann ja bekanntlich nicht mit Konzentrationslagern?“
Brisant: Das Gericht erklärt nicht nur eine Gleichsetzung für unzulässig – es untersagt bereits den Vergleich als solchen. Doch der historische Vergleich ist eine Standardmethode der Geschichtswissenschaft. Seine elementare Logik lautet: Ein Vergleich ist keine Gleichsetzung. Wer vergleicht, prüft Ähnlichkeiten und Unterschiede – gerade, um Nicht-Gleiches nicht gleichzusetzen. Ergebnis eines Vergleichs kann sein, dass die Unterschiede vorhandene Ähnlichkeiten überwiegen.
Außerdem betont Martin Schwab, dass mit derartigen Vergleichen das Unrecht des Nationalsozialismus nicht verharmlost wird. Sinngemäß sagt er: Selbst wenn man das Unrecht, das den Ungeimpft widerfahren ist, mit einem entsprechenden Vergleich übertrieben wird, läuft das nicht darauf hinaus, das brutale Schicksal der Juden zu verharmlosen.
„Es trifft auch nicht zu, wie aber das LG Wuppertal weiter meint, dass mit einer Aufwertung des Leids der Maßnahmengegner zwingend eine Abwertung des NS-Unrechts verbunden ist. Richtig ist vielmehr Folgendes: Unumstößliche Prämisse jeglicher Vergleiche der Corona-Politik mit der NS-Zeit ist die Annahme, dass es sich bei den NS-Verbrechen um bestialisches Unrecht handelt. Jede Abwertung des NS-Unrechts würde zugleich die argumentative Durchschlagskraft des vom Angeklagten gezogenen Vergleichs schwächen.“
Sein Fazit: „Das Urteil aus Wuppertal ist ein absolutes Desaster.“ In vergleichbaren Fällen hätten Gerichte „deutlich mehr Augenmaß“ bewiesen hätten.
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