Enteignung großer Immobilienkonzerne per Gesetz: Die SPD in Berlin plant den Wohnungs-Sozialismus

vor etwa 18 Stunden

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Der berühmte erste Satz aus dem Kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels lautet so: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus.“ Marx und Engels und die von ihnen geschaffene sozialistische Lehre von Hass, Umsturz und Massenmord ist in der Praxis vollständig gescheitert. Beider Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie (der sog. „wissenschaftliche Kommunismus“ - LOL) wurde von der Geschichte eindrucksvoll widerlegt und ist ungefähr so wahr wie die Annahme, dass die Erde eine Scheibe sei. Nur in Berlin hat sich diese Ansicht noch nicht durchgesetzt. Da gilt die Erde weiter als Scheibe. Da geht das Gespenst des Kommunismus immer noch um ...

Dieses in Berlin umgehende kommunistische Gespenst nennt sich im schönsten Behördendeutsch „Vergesellschaftungsrahmengesetz“, kurz „VergRG Berlin“. Was ist mit diesem orwellschen Newspeak gemeint?

Angeführt von Kai Wegner und Franziska Giffey stellen SPD und CDU ihr Koalitionsprogramm in Berlin vor.

Das VergRG ist ein Gesetzentwurf der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, der wiederum auf den Koalitionsvereinbarungen von CDU und SPD aus dem April 2023 basiert. In denen wurde so ganz nebenbei festgelegt, dass die Koalition den Volksentscheid vom 26. Sept. 2021 umsetzen würde. In diesem Volksentscheid haben 59,1 Prozent der Berliner Folgendem zugestimmt: „Der Berliner Senat wird aufgefordert, alle notwendigen Maßnahmen einzuleiten, um Immobilienunternehmen mit jeweils mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin zu vergesellschaften und deren Wohnungsbestände in Gemeineigentum zu überführen.“

Dieser Satz und die damit verbundenen Maßnahmen sind ein solcher Hammer, dass der Berliner CDU bislang der Mut fehlte, diese katastrophale Koalitionsvereinbarung in die Tat umzusetzen. Aber jetzt möchte die SPD das Thema unbedingt forcieren, weshalb der Entwurf für das Vergesellschaftungsrahmengesetz an die Medien durchgestochen wurde. Wenn das ganze Vorhaben an der großen Glocke hängt – so die Logik der SPD –, dann werden die Enteignungen per Gesetz schon kommen.

Bevor wir uns mit der Frage beschäftigen, ob so etwas überhaupt geht, ob also der Berliner Senat einfach per Gesetzesbeschluss Hunderttausende Wohnungen enteignen darf, fragen wir uns zuerst: Was steht in diesem Gesetzesentwurf überhaupt drin? Was soll denn enteignet werden? Wem gehören die zu enteignenden Häuser und Grundstücke? Wer soll diese Enteignungsorgie eigentlich bezahlen? Und von wo kommt überhaupt das Geld dafür her?

Enteignet werden sollen zuerst einmal Mietwohnungen, in Summe 220.000 bis 240.000, die Wohnungsunternehmen gehören, welche mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin besitzen. Betroffen wären die folgenden Unternehmen: Vonovia SE (42.000 Wohnungen), Deutsche Wohnen SE (110.000), Akelius Residential AB (13.000), Heimstaden Bostad AB (23.500), Grand City Properties S.A. (10.000), TAG Immobilien AG (10.000) und Covivio (14.000). Diese Unternehmen gehören überwiegend internationalen Investoren, Pensionsfonds und börsennotierten Gesellschaften. Vonovia und Deutsche Wohnen sind mehrheitlich im Besitz großer institutioneller Anleger wie BlackRock und der Norges Bank, Heimstaden gehört einem norwegischen Milliardär (Ivar Tollefsen), während Akelius, Grand City, TAG und Covivio ebenfalls von Fonds und Finanzinvestoren kontrolliert werden. Diese Unternehmen besitzen in Summe ca. 14 Prozent (220.000 von 1,6 Millionen) aller Berliner Mietwohnungen.

Die Stadt Berlin hat Vonovia im Jahr 2024 4.500 Wohnungen abgekauft.

Obwohl selbst im ursprünglichen Volksentscheid über Enteignungen immer nur von der Vergesellschaftung von Wohnungen die Rede war, reicht das der Berliner SPD heute nicht mehr. Die plant, noch viel mehr zu verstaatlichen. Laut § 3 des offiziellen Gesetzentwurfs sollen auch Nutzungsrechte, Zubehör, Naturschätze sowie Produktionsmittel von natürlichen oder juristischen Personen, die in Berlin dauerhaft Waren und Güter herstellen oder Dienstleistungen anbieten, „vergesellschaftet“ werden. Enteignet und in das Eigentum der Stadt überführt werden könnten also auch die Grundversorgung mit Energie, Wasser und Wärme, die Abwasser- und Abfallbeseitigung, der öffentliche Nahverkehr sowie „Post-, Telekommunikations- und digitale Kommunikationsdienste“. Und selbst diese Horrorliste der SPD ist keineswegs abgeschlossen, sondern kann in der Praxis jederzeit verlängert werden.

Bevor wir zur Finanzierung kommen, müssen wir uns zuerst fragen, was diese 220.000 Wohnungen, die Grüne und SPD so gerne enteignen möchten, eigentlich wert sind bzw. was ihre „Vergesellschaftung“ Stadt und Bürger kosten würde. Ich habe so gerechnet: Bei einer Enteignung von 220.000 Mietwohnungen in Berlin ist von einem realistischen Marktwert von rund 42,24 Milliarden Euro auszugehen. Grundlage dieser Bewertung ist eine durchschnittliche Wohnungsgröße von 70 Quadratmetern sowie eine durchschnittliche Ist-Miete von 8,00 Euro pro Quadratmeter und Monat. Daraus ergibt sich eine Jahresnettokaltmiete von 6.720 Euro pro Wohnung. Bei einem – absolut realistischen – Liegenschaftszinssatz von 3,5 Prozent ergibt sich ein rechnerischer Ertragswert von 192.000 Euro je Wohnung. Multipliziert mit 220.000 Wohnungen ergibt das einen Gesamtwert von rund 42 Milliarden Euro.

Diese unfassbare Summe müsste die Stadt also den heutigen Eigentümern der Wohnungen bezahlen. Das ist aber nur der Minimalwert, der den vielen zu erwartenden Klagen der Eigentümer vermutlich nicht standhalten würde, denn ein kommerzieller Investor wie BlackRock würde mit Zielmieten von 10 Euro pro Quadratmeter und einem Kapitalisierungszinssatz von 3 Prozent rechnen – womit der Gesamtwert aller Wohnungen bei 62 Mrd. Euro läge. Und genau auf diese Summe würden die Großinvestoren die Stadt nach einer Enteignung dann auch verklagen.

Die Enteignungsfanatiker der SPD und all jene Aktivisten und Initiatoren des Volksentscheids aus dem Jahre 2021 sehen das natürlich ganz anders. Die haben sich von befreundeten Immobilienexperten Gefälligkeitsgutachten erstellen lassen, die erwartungsgemäß zu lächerlich niedrigen Entschädigungskosten kommen. Ihr zentrales Modell – das sogenannte „Faire-Mieten-Modell“ – setzt die Entschädigung für rund 240.000 Wohnungen auf lediglich 8 Milliarden Euro fest, also etwa 33.000 Euro pro Wohnung. Eine zweite Variante der Initiative kalkuliert mit 11 Milliarden Euro (46.000 Euro pro Wohnung).

Immerhin ist der – selbstverständlich SPD-nahe – Rechnungshof Berlin erstaunlicherweise zu dem Schluss gekommen, dass Entschädigungszahlungen von 10 oder 11 Milliarden Euro an die Wohnungsunternehmen unrealistisch seien, weshalb selbst diese SPD-Bürokraten bei den Entschädigungszahlungen eine Untergrenze von 29 Milliarden Euro (121.000 Euro pro Wohnung) und eine Obergrenze von 36 Milliarden Euro (150.000 Euro pro Wohnung) annehmen. Aber auch das wird noch zu wenig sein – die Stadt Berlin wird bei der Enteignung von 220.000 Wohnungen mindestens 40 Milliarden Euro aufwenden müssen.

Aber vielleicht ist das für eine reiche Stadt wie Berlin ja ein Klacks? Vielleicht kann die Hauptstadt des real existierenden Sozialismus auf deutschem Boden sich das ja locker leisten? Vielleicht ist für die Berliner Mieter der „Wohnfühl-Sozialismus“, wie ihn sogar die FAZ genannt hat, nur mehr eine Abstimmung im Senat entfernt?

Jede auch nur kursorische Prüfung zeigt, dass Berlin sich weder Enteignungen noch Sozialismus leisten kann. Die Stadt Berlin ist mit rund 68 Milliarden Schulden (zum Vergleich: Hamburg hat rund 22 Milliarden, Frankfurt am Main über 2,7 Milliarden, Köln rund 4,8 Milliarden und München rund 7,5 Milliarden Schulden) heute bereits die am höchsten verschuldete Stadt der Bundesrepublik. Entschädigungszahlungen von 40 Milliarden Euro an die Immobiliengesellschaften nach einer Enteignung würden den Schuldenstand der Stadt fast verdoppeln und zu jährlichen Zinskosten von 1,68 Milliarden Euro pro Jahr führen.

Berlin ist die am höchsten verschuldete Stadt in Deutschland.

Und diese reine Kreditfähigkeitsprüfung berücksichtigt noch gar nicht die Schuldenbremse, die für Bund und Länder gilt – und damit selbstverständlich auch für Berlin. Seit 2020 müssen die Länder grundsätzlich ihre Haushalte ohne neue Schulden ausgleichen. Natürlich haben sich Berliner SPD-Politiker und ihre cleveren Juristen längst überlegt, dass man die Schuldenbremse auch hier – wie beim Bund – mit juristischen Tricks umgehen könnte, z. B. indem die Wohnungen nach ihrer Enteignung in Landesunternehmen überführt würden, die ihrerseits Schulden aufnehmen könnten, die dann eventuell gar nicht in den Berliner Haushalt fielen. Aber auch das muss im Senat erst einmal genehmigt und die daraus entstehenden Schulden dann jahrzehntelang bezahlt werden.

Also: Nein. Berlin kann sich einen wohligen Sozialismus wohl wünschen – aber finanzieren kann es ihn nicht.

Das ist der erste große Widerspruch in dieser ganzen unseligen Enteignungsdebatte. Der zweite ist sogar noch viel größer: Wer sagt eigentlich, dass Bund und Länder in großem Stil Privateigentum enteignen und in Staatseigentum überführen dürfen?

Angeblich steht das in Art. 14 Abs. 3 GG, der besagt: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt.“ Und dann hätten wir noch Art. 15 GG, wo es heißt: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“

Das sind ganz klar schlimme Paragraphen, weil sie dem Sozialismus Tür und Tor öffnen – aber sie stehen nun einmal im Grundgesetz. Jetzt muss man aber wissen: Art. 14 Abs. 3 GG wird regelmäßig angewendet, etwa beim Bau von Autobahnen, Eisenbahntrassen, Strom- und Gasleitungen oder beim Braunkohletagebau. Das ist verwaltungsrechtlich meist unauffällig, da die Verfahren auf gesetzlicher Grundlage erfolgen und immer Entschädigungszahlungen vorsehen. Allein unter Berufung auf Art. 14 GG könnte der Berliner Senat die Wohnungen der großen Immobilienunternehmen nicht enteignen. Da muss eine schärfere Waffe her.

Und die gibt es auch – in Form des Art. 15 GG. Der wurde allerdings in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie angewandt. Aus gutem Grund, denn: Artikel 15 stammt ursprünglich aus dem Gedankengut der Weimarer Reichsverfassung und sozialreformerischer Überlegungen. Er erlaubt nicht nur punktuelle Enteignungen (wie Art. 14 Abs. 3 GG), sondern die kollektive Überführung ganzer Wirtschaftszweige oder Vermögensarten in Gemeineigentum. Die Anwendung von Art. 15 GG wäre ein absoluter Gamechanger in der Geschichte der Bundesrepublik, ein erster Schritt in Richtung einer grundsätzlichen Systemveränderung einzelner Märkte und Eigentumsordnungen. Das wäre ein großer Schritt in Richtung Sozialismus und eine Rückkehr zur DDR. Und genau auf diesen Sozialismus-Paragrafen hat sich die Initiative, die hinter dem Volksentscheid aus dem Jahr 2021 steht, berufen. Eben hier setzt die SPD an.

Die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus beruft sich im Entwurf für ein Vergesellschaftungsrahmengesetz ausdrücklich auf Artikel 15 des Grundgesetzes als verfassungsrechtliche Grundlage für die Überführung großer Wohnungsbestände in Gemeineigentum. In der Begründung verweist sie auf die historische Verankerung des Artikels durch die SPD im Parlamentarischen Rat und betont, dass Art. 15 GG eine bewusste Öffnung des Eigentumsrechts für gemeinwirtschaftliche Organisationsformen darstelle. Der Gesetzentwurf zielt darauf, den erfolgreichen Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ rechtlich umzusetzen, und grenzt die Vergesellschaftung ausdrücklich von der punktuellen Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG ab. Die SPD versteht Art. 15 GG als eigenständige verfassungsrechtliche Ermächtigung zur strukturellen Neuausrichtung von Eigentumsverhältnissen im Bereich der Daseinsvorsorge – dauerhaft, gesetzlich und im Sinne des Gemeinwohls.

Nun kann sich die Berliner SPD ja jede Menge Sozialismus wünschen – aber ist der auch juristisch durchsetzbar?

Zum Glück ist die Sache nicht so einfach. Die Anwendung von Artikel 15 GG ist juristisch zwar möglich, aber mit hohen Hürden verbunden: Sie setzt ein formelles Gesetz voraus, das die betroffenen Eigentumspositionen klar bestimmt, den Gemeinwohlzweck nachvollziehbar begründet, die Maßnahme als verhältnismäßig rechtfertigt und eine gesetzlich geregelte, gerechte Entschädigung vorsieht. Jeder dieser Punkte ist gerichtlich überprüfbar, sodass eine Vergesellschaftung rechtlich anspruchsvoll und in jedem Stadium angreifbar ist. Fragen wie: Ist der Zweck wirklich „Gemeinwohl“? Gibt es mildere Mittel? (z. B. Rückkauf, Neubau) Ist die Entschädigung angemessen? Ist das Gesetz hinreichend bestimmt? – müssen alle beantwortet werden. Jede betroffene Firma kann vor Gericht ziehen – etwa mit einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht.

All dies lässt den Schluss zu, dass der Berliner Wohlfühl-Sozialismus an der Realität scheitern wird. (Was beim Sozialismus ja häufig der Fall ist.)

Verwerflich ist jedoch allein schon die Absicht dahinter. Ebenso unverzeihlich ist die Tatsache, dass die Berliner CDU im Koalitionsvertrag mit der SPD die Verabschiedung eines Vergesellschaftungsrahmengesetzes beschlossen hat. Die CDU war einmal eine bürgerlich-konservative Partei der Mitte, aber auch die klassische Helmut-Schmidt-SPD der 1980er Jahre war eine Partei der Mitte, die wohl eine soziale, aber auch eine freiheitliche Marktwirtschaft wollte. Davon haben sich mindestens die Berliner Landesparteien beider Couleur offenbar vollständig verabschiedet. Das bedeutet für Berlin – aber auch für das ganze Land, das im Falle einer tatsächlichen Enteignung der Berliner Immobilienkonzerne vermutlich nachziehen würde – katastrophale Aussichten.

Sozialismus ist seit jeher ein Shit-Sandwich, das auf dem Grill ganz gut aussieht, aber keinem schmeckt, wenn er hineingebissen hat. Und dieses Shit-Sandwich wird mit schwarz-roter Berliner Soße auch nicht besser.

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