
Nach dem „Compact“-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts warnt DK-Gastautor Einar Koch vor zu großer Euphorie. Aus Sicht des früheren „Bild“-Politikchefs hat die Presse- und Meinungsfreiheit nur vordergründig einen Sieg errungen. Merke: Es ist nichts alles Gold, was glänzt!
PYRRHUSSIEG!
VON EINAR KOCH*
Bin ich jetzt ein Spielverderber? Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Sachen „Compact“ ist einerseits ein großer Erfolg für die Meinungsfreiheit, andererseits auch nicht. „Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!“, sagte in der Antike König Pyrrhus von Epirus, der heutigen albanisch-griechischen Grenzregion, nach seinen verlustreichen Schlachten gegen die Römer.
Für mich kommt der Richterspruch aus Leipzig einem „Pyrrhussieg“ gleich – einem Sieg, der so teuer erkauft wurde, dass er der vordergründig siegreichen Meinungsfreiheit am Ende vielleicht mehr schadet als nützt.
Auch wenn die ausführliche schriftliche Urteilsbegründung noch aussteht, so lässt sich schon jetzt sagen, dass unkritischer Jubel fehl am Platze ist!
Meines Erachtens setzt sich mit dem Leipziger Richterspruch ein brandgefährlicher Trend in der deutschen Rechtsprechung fort: Pressefreiheit und Meinungsfreiheit sind keine Werte mehr an sich, die man – dem Begriff „Freiheit“ innewohnend – auch gar nicht verbieten kann (sofern keine strafrechtlich relevanten Tatbestände vorliegen); vielmehr sind beide elementaren Freiheitsrechte heute in ihrer Auslegung einer subjektiven richterlichen Beliebigkeit im Gewand einer Verhältnismäßigkeitsprüfung ausgeliefert.
Diese Bewertung kann je nach politischer Couleur des Richters heute so und morgen so ausfallen. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung öffnet im Grunde richterlicher Willkür Tür und Tor, auch wenn sie in der Causa „Compact“ einstweilen zugunsten der Kläger ausgefallen ist.
Wer aber weiß, ob sich nicht schon beim nächsten Mal der Daumen eines linken Richters senkt, weil er (oder sie) nach ganz anderen ideologischen Verhältnismäßigkeitsmaßstäben urteilt?
Analysiert man die vorläufige Urteilsbegründung etwas genauer, kann man fast sogar den Eindruck gewinnen, dass die Leipziger Richter nicht wenig Lust gehabt hätten, den Daumen zu senken, wenn es nicht allzu offensichtlich schreiendes Unrecht gewesen wäre!
Drei Dinge stören mich an dem Urteil aus Leipzig:
ERSTENS: Den Befürwortern von Remigration unterstellt das Bundesverwaltungsgericht ebenso pauschal wie fälschlich, dass sie eine Diskriminierung von Deutschen mit und ohne Migrationshintergrund im Schilde führen – obwohl gerade das nicht das Ziel von Remigration ist, sondern die vollständige Integration derjenigen, die sich zu Deutschland und seinen Werten bekennen und nicht auf Kosten der Allgemeinheit leben.
ZWEITENS: Die Richter haben ihr Urteil damit begründet, angeblich verfassungsfeindliche Inhalte des Magazins seien nicht bzw. noch nicht „prägend“. Unbequeme Wahrheiten hierzulande darf man also nur noch aussprechen, wenn sie „nicht prägend“ in einer Art Wundertüte mit anderen Themen verpackt werden.
DRITTENS: Das höchste deutsche Verwaltungsgericht hat bekräftigt, dass die noch von der Merkel-Regierung herbeikonstruierte Krücke des Vereinsrechts grundsätzlich auch für den Bereich der Medien Anwendung findet. Artikel 5 des Grundgesetzes (Presse- und Meinungsfreiheit), einer der wichtigsten Verfassungsnormen überhaupt, ist damit auf dem Niveau der Regularien für einen Kaninchenzüchterverein angekommen.
In der Summe lautet das Fazit aus dem Leipziger Urteil: Es ist nicht alles Gold, was glänzt!
*Einar Koch, Jahrgang 1951, war von 1992 bis 2003 Leiter der Parlamentsredaktion der „Bild“-Zeitung in Bonn und Berlin, Politik-Chef des Blattes und zuletzt Politischer Chefkorrespondent.