
Am Donnerstag will Brandenburgs Innenminister René Wilke vor die Presse treten, um das AfD-Gutachten des Landesverfassungsschutzes vorzustellen. Das Papier liefert die Grundlage für die Einstufung der Partei als „gesichert rechtsextremistisch“. NIUS liegt das Gutachten exklusiv vor.
Ende Juli hatte die Brandenburger AfD ihren gerichtlichen Eilantrag gegen die Einstufung des Verfassungsschutzes als „gesichert rechtsextremistisch“ zurückgezogen. Wegen der juristischen Auseinandersetzung war es dem Inlandsgeheimdienst bislang nicht möglich, den Vermerk mit der Begründung zur Einstufung zu veröffentlichen.
„Wer politische Verfolgung der Opposition im Mantel des Rechts betreibt, muss sich der Öffentlichkeit stellen“, fordert nun René Springer, der Landesvorsitzende der AfD-Brandenburg. Innenminister René Wilke, bis 2024 Mitglied der Linkspartei, solle das Gutachten publizieren. Die Klage im Hauptverfahren will die AfD jedoch beibehalten.
René Wilke wurde erst kürzlich zum Innenminister ernannt.
In ihrem Gutachten stellen die Verfassungsschützer klar: Auf Grundlage der gesammelten Erkenntnisse bestünden „kein Zweifel mehr“, dass „eine Hochstufung vom Verdachtsfall zur gesichert extremistischen Bestrebung erfolgen“ müsse.
Der AfD-Landesverband habe „seit der Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall im Jahr 2020 einen Prozess der sukzessiven, systematisch betriebenen Radikalisierung durchlaufen“. Das sei „mittels eines Vergleichs zwischen den Programmen 2019 und 2024 belegbar.“
Demnach habe die AfD 2019 noch positiv auf einen Teil der integrationswilligen Ausländer in Deutschland verwiesen. „Aussagen, in denen die Themen Einwanderung bzw. Migration und Integration positiv gespiegelt werden, finden sich im aktuellen Programm gar nicht“, wirft der Inlandsgeheimdienst der AfD vor. „Stattdessen spricht es nahezu ausschließlich von integrationsunwilligen Menschen aus Kulturen, die als inkompatibel zur deutschen oder europäischen Kultur dargestellt werden.“
Generell vertrete die AfD in Brandenburg „als Ost- und ehemaliger ‚Flügel‘-Landesverband“ seit Längerem „eine harte programmatische Linie“ und missachte „die ‚Unvereinbarkeitsliste‘ des AfD-Bundesvorstandes regelmäßig“. In diesem Zusammenhang wirft der Verfassungsschutz dem Landesvorstand um René Springer und Hans-Christoph Berndt vor, „eine intensivierte Vernetzung mit Akteuren des rechtsextremistischen ‚Vorfelds‘ nicht nur symbolisch und personell, sondern auch programmatisch“ zu vollziehen.
Ähnlich wie beim Gutachten des Bundesverfassungsschutzes geht es auch in Brandenburg meist um die Deutungshoheit von Begriffen. Persönliche Auslegungen von Seiten der Geheimdienstler spielen eine große Rolle. Die AfD nutze Begriffe wie „kulturfremd“ und „integrationsunwillig“, was der Verfassungsschutz wie folgt interpretiert: „Migranten und Asylbewerber vor allem aus islamischen Herkunftsländern bzw. Kulturräumen sind demzufolge in überwiegender Mehrzahl zur Integration entweder unfähig oder nicht willens.“
An anderer Stelle heißt es: „Mit konfrontativen Begriffen wie ‚Altparteien‘, ‚System‘ oder ‚Parteienkartell‘ – die nicht per se verfassungsschutzrelevant sind und für sich genommen keine Anhaltspunkte für eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebung darstellen – unterstrich die AfD in den vergangenen Jahren ihre fundamentalkritische Haltung gegenüber dem politischen System.“ Doch wenn diese nicht verfassungsschutzrelevant sind – weshalb tauchen die Begriffe in einem Gutachten des Verfassungsschutzes auf?
Auch ein weiterer Begriff ist laut den Brandenburger Beamten interessanterweise nicht unbedingt verfassungsfeindlich: „Der Begriff ‚Remigration‘ ist nicht definiert und dient in der AfD hauptsächlich als Projektionsfläche. Er kann sich auf recht unterschiedliche – sowohl verfassungskonforme wie verfassungsfeindliche – Ziele beziehen.“
Auch der Brandenburger AfD-Landesvorsitzende René Springer taucht mehrfach im Gutachten auf.
Dazu kritisiert der Verfassungsschutz, dass die AfD „für das rechtsextremistische Milieu einschlägige Erzählungen“ nutzen würde, wie jene vom „Großen Austausch“ oder von der „Umvolkung“. Ohne konkrete Nachweise rückt der Inlandsgeheimdienst die Partei in die Nähe von Antisemitismus: Die „Verschwörungsmythen“ würden davon ausgehen, „dass dieser Prozess – durch globalisierungsfreundliche Eliten (‚Globalisten‘), Weltwirtschaftsforum, mitunter auch das ‚Weltjudentum‘ – bewusst vorangetrieben (‚Great Reset‘, ‚New World Order‘) und für eigene Zwecke gezielt eingesetzt wird“.
Der Inlandsgeheimdienst kritisiert weiterhin, dass die AfD sich nicht ausreichend von verschiedenen Medien abgrenzt: „Eine hinreichend gewichtige Distanzierung von bzw. Abgrenzung zu rechtsextremistischen Akteuren wie dem ‚COMPACT Magazin‘ oder dem 2024 restrukturierten Instituts für Staatspolitik ist zu keinem Zeitpunkt erfolgt.“
Gleichzeitig setzte der Verfassungsschutz im Osten offenbar auch auf nachrichtendienstliche Mittel, wie aus dem Gutachten deutlich hervorgeht. Er will beispielsweise eine Tonaufzeichnung eines Vortrags in „szeneinternen Räumlichkeiten“ erlangt haben, aus der im Papier zitiert wird.
Lesen Sie selbst einige Beispiele aus dem Gutachten, mit denen der Verfassungsschutz in Brandenburg die Hochstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ beweisen will. Das komplette Gutachten finden Sie am Ende des Textes.
Hans-Christoph Berndt, AfD-Fraktionsvorsitzender in Brandenburg,
Lesen Sie hier das gesamte Gutachten des Brandenburger Verfassungsschutzes:Vermerk zur Einstufung der AfD.