
Die Bundeswehr bläst an diesem Montagabend dem scheidenden Kanzler Olaf Scholz (SPD) den Zapfenstreich. Unter anderem spielen sie auf seinen Wunsch „Respect“. Also liefert Scholz zu seinem Abschied doch noch den Respekt, den er zu Beginn seiner Amtszeit versprochen hat. Irgendwie. Auf den ersten Blick mag das kümmerlich wirken. Aber im Vergleich zu seiner restlichen Bilanz ist das schon wieder in den Top Ten. Die SPD scheint es auch so zu sehen: Nach der verlorenen Wahl sind es vor allem Scholz’ ehemalige Minister, die gehen müssen:
Hubertus Heil war Arbeitsminister. Doch obwohl die SPD dieses Haus behält, ist er weg. Das Innenministerium geht an die CSU, doch Nancy Faeser hätte stattdessen als Juristin auch Justizministerin werden können. Ist aber ebenfalls weg. Ebenso wie Bauministerin Klara Geywitz und die Ministerin für Entwicklungshilfe, Svenja Schulze.
Lars Klingbeil hat es erfolgreich geschafft, so zu tun, als ob er mit den Niederlagen bei der Europa- und Bundestagswahl nichts zu tun hat. Oder es war halt kein anderer mehr da, nachdem die Partei alle offensichtlichen Verlierer ausgemustert hat. Auf jeden Fall steigt der Parteivorsitzende zum Finanzminister und Vizekanzler auf. Klingbeil tritt damit also zum ersten Mal in die Fußspuren von Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne). Keine gute Quote erhält indes, wer darauf wettet, dass es nicht das letzte Mal bleibt.
Die zwei prominentesten Besetzungen in seiner Ministerriege sind keine Überraschung: Boris Pistorius bleibt Verteidigungsminister und Bärbel Bas wird Arbeitsministerin. Die ehemalige Präsidentin des Bundestags gilt als die neue starke Frau in der SPD. Die anderen Besetzungen sind vielleicht keine Überraschungen, rufen aber trotzdem verblüffte Reaktionen hervor. Im Sinne von: Wer ist das? Stefanie Hubig erhält die Justiz, Reem Alabali-Radovan die Entwicklungshilfe und Verena Hubertz das Bauministerium. Carsten Schneider wird Umweltminister.
Carsten Schneider könnten die Ostdeutschen kennen. Unter Scholz war er ihr Beauftragter. Was heißt, dass die SPD eine inklusive Partei bleibt, in der man mit einer schlechten Bilanz sogar befördert werden kann – zumindest, wenn man als enger Kumpel des neuen Vizekanzlers gilt.
Alabali-Radovan war vorher Integrationsbeauftragte. Und wenn es eine Erfolgsgeschichte unter Olaf Scholz gibt, dann ist das die Integration. Alabali-Radovan ist ein politisches Überraschungsei: Frau, aus dem Osten, mit Migrationshintergrund. Das sind gleich drei Quoten in einer. Und solange sie mit 35 Jahren noch als jung gilt, ist Reem Alabali-Radovan sogar ein Überraschungsei deluxe.
Die Partei ist ein Machterhaltungsapparat. Das beweist Klingbeil mit den Besetzungen Hubig und Hubertz. Die stammen beide aus Rheinland-Pfalz. Dort finden im nächsten März die ersten wichtigen Wahlen nach der Regierungsbildung in Berlin statt. Baden-Württemberg dürfte die SPD schon aufgegeben haben. Alles, was nicht zu weit weg von der Zweistelligkeit ist, wäre dort schon für die Partei ein Erfolg.
In Rheinland-Pfalz gilt es aber, eine Staatskanzlei zu verteidigen, die seit 35 Jahren in der Hand der SPD ist. Dabei soll die schillernde Prominenz von Hubig und Hubertz helfen. Was zeigt, dass die einstige Arbeiterpartei den Kontakt zum normalen Volk nur noch dann herstellt, wenn es dem die Polizei und die Staatsanwaltschaft auf den Hals schickt, nachdem das Volk mal wieder gewagt hat, seine Meinung zu sagen.