
Katrin Lange, bis zum 16.5. nachmittags noch Innenministerin des Landes Brandenburg, musste gehen, weil sie es gewagt hatte, für einen anderen Umgang mit der AfD einzutreten, nämlich für den in einer Demokratie üblichen, den Weg der argumentativen Auseinandersetzung im demokratischen Wettbewerb um politische Mehrheiten, weil sie sich erkühnt hatte, einen alles andere als über jeden Zweifel erhabenen Chef des Brandenburgers Verfassungsschutzes zu feuern.
Schaut man auf das peinliche Konvolut, welches das Bundesamt für Verfassungsschutz irgendwie zusammengetragen hat und das mehr über das Bundesamt als über die AfD aussagt, dann fragt man sich entsetzt, welche Qualität erst Müllers „Gutachten“ haben muss, dass die Grundlage für die Hochstufung des Landesverbandes der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ begründet. Müsste Müllers Gutachten dann als „gesichert dilettantisch“ oder als „gesichert linksideologisch“ eingeschätzt werden? Dass Müller sein „Gutachten“ als geheim einstufen ließ und der Öffentlichkeit keine Einblicke gewähren will, spricht jedenfalls sehr für diese Vermutung. Doch weil – auch durch den Rücktritt der brandenburgischen Innenministerin und durch die fragwürdige Hochstufung durch Müllers Abteilung im Innenministerium des Landes Brandenburg – ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, fordert TE das Innenministerium des Landes Brandenburg auf, das Gutachten zu veröffentlichen.
Katrin Lange hatte Müllers de facto Entlassung mit einem Vertrauensverlust begründet, Müller habe sie „über bedeutende Sachverhalte nicht ordnungsgemäß und viel zu spät unterrichtet“. Konkret ging es dabei um das Gutachten, um den Vorgang, den sie erst am 5. Mai auf den Tisch bekommen habe, obwohl Müller die Hochstufung bereits am 14. April beschlossen hatte. Am 14. April soll übrigens eine Besprechung zwischen Katrin Lange und Jörg Müller stattgefunden haben.
Fasst man zusammen, was bekannt ist, könnte sich die Hochstufung des Landesverbands der AfD so zugetragen haben. In der Besprechung am 14.4. soll Lange deutlich gemacht haben, dass sie keinen Schnellschuss und erst die Entscheidung der Bundesebene abwarten wolle. Der „Schnellschuss“ auf der Bundesebene, der das Bundesamt für Verfassungsschutz blamierte und zu einem erheblichen Vertrauensverlust führte, sollte ihr Recht geben. Laut rbb will Müller das Gutachten zum Termin mitgebracht haben, doch Lange interessierte sich nicht dafür, weil sie die Entscheidung der Bundesebene abzuwarten gedachte. Lange jedenfalls war gegen die Hochstufung, nicht weil sie „für einen weicheren Umgang mit der AfD, sondern für einen besseren und wirksameren“ war, begründete sie nun am Freitag ihren Rücktritt. Sie wies daraufhin, dass sie nicht ein Drittel der Brandenburger Wähler politisch abzuschreiben vorhätte. „Ein solcher Weg würde die Spaltungen in unserer Gesellschaft weiter vertiefen und für meine Partei verheerende Auswirkungen haben.“ Aus ihrer Sicht betrage die Lernkurve in der Auseinandersetzung mit der AfD „null.“ Für einen Irrweg im Umgang mit der AfD stehe sie nicht zur Verfügung.
Nach dem Gespräch am 14.04. und in Kenntnis der Meinung seiner Ministerin beschloss Müller die Hochstufung laut rbb: „Noch am selben Tag soll Müller dann die Entscheidung über die Einstufung tatsächlich getroffen haben. Er „schlusszeichnete“ den Vorgang, stufte damit die AfD also zur extremistischen Bestrebung hoch. Eine schriftliche Information an die Ministerin darüber, dass diese Entscheidung getroffen wurde, soll laut Ministeriumskreisen aber nicht erfolgt sein.“
Am 2. Mai stufte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ ein und scheint dem SPIEGEL zur gefälligen Berichterstattung einen Einblick in das Gutachten gewährt zu haben. Lange jedenfalls reagierte mit einer Pressemitteilung: „Die heutige Entscheidung des Bundes ändert nichts daran, dass die politische Herausforderung durch die AfD in erster Linie auch politisch beantwortet werden muss. Daran mangelt es ausweislich der Verdoppelung des AfD-Wahlergebnisses auf Bundesebene von 2021 bis 2025 nach wie vor. Notwendig bleibt daher eine Verstärkung der streitbaren inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Partei, die die Ursachen in den Blick nimmt, die zum Wahlerfolg der AfD beigetragen haben. Ein Verbotsverfahren gegen die AfD lehne ich unverändert ab…Auf die Einstufung der AfD Brandenburg als Verdachtsobjekt des Verfassungsschutzes hat die heutige Entscheidung des Bundes zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen. Diese Einstufungen werden im Föderalismus jeweils gesondert vorgenommen. Die Erkenntnisse, die sich aus dem Gutachten mit Blick auf mögliche Bezüge nach Brandenburg ergeben, werden jetzt intensiv ausgewertet und in das weitere Einstufungsverfahren einfließen. Eine entsprechende Auswertung ist veranlasst.“
Doch der eifrige Kämpfer gegen rechts, Jörg Müller, hatte bereits das Verfahren abgeschlossen und scheint die Ministerin gedrängt zu haben, „die Einstufung auch für Brandenburg zu verkünden“, wie der rbb berichtet. Daraufhin wünschte Lange über den Stand des Verfahrens informiert zu werden. Nun erst, am 5. Mail lag der Ministerin der gesamte Vorgang vor. Müller wurde entlassen. Die rotgrünen Medien wie der Tagesspiegel, vor allem mit seinem berüchtigten grünen Kampagneblatt PNN bliesen jetzt zum Sturm, um zu beweisen, dass Lange gelogen hatte und früher über den Vorgang informiert gewesen sei.
Im Hintergrund schwellte der Kampf um Woidkes Nachfolge zwischen Brandenburgs Wissenschafts- und Kulturministerin Manja Schüle vom in Potsdam tonangebenden linken Parteiflügel und Katrin Lange, die einen bodenständigen und pragmatischen Kurs steuert und hierin Woidke näher steht.
Absurd ist, dass aufgrund einer Dienstanweisung des früheren Helden-Innenministers von der CDU, Michael Stübgen, der Abteilungsleiter Müller in einer so wichtigen Frage wie der Hochstufung einer im Parlament vertretenen Partei allein entscheiden kann.
Dass es Katrin Lange gewagt hatte, gegen die Hochstufung der AfD im Bund und im Land zu sein, dass sie es gewagt hatte, den Abteilungsleiter Müller zu entlassen, rief das ganze rotgrüne Potsdam in Politik und Medien, schließlich in der Landtagsfraktion der SPD auf den Plan.
Selbst die Redmann-CDU mit ihrem bald einstelligen Ergebnis durfte bei der Hatz nicht fehlen. Redmann, der persönlich verantwortlich ist für die schwere Wahlniederlage der CDU bei den Landtagswahlen 2024, dessen Partei nur 12, 1 % der Stimmen holte, während die AfD mit 29,2 % nur knapp hinter der SPD mit 30,9 % lag, klagte dann auch noch Lange an: „Sie war sehr zurückhaltend, was die Einstufung der AfD angeht. Bei der AfD, gerade beim Landesverband Brandenburg, kann man keinen Zweifel haben: Dieser Landesverband ist durch und durch rechtsextremistisch.“
Sieht man sich Redmanns erschütternde Wahlerfolge in Brandenburg an, stellt sich schon die Frage, ob es Redmann um die Demokratie oder um das Verbot der Konkurrenz geht. Schließlich hat Redmanns Blockfreund in Kiel, Günther, gerade den Bundeskanzler aufgefordert, ein Verbostverfahren gegen die AfD einzuleiten. Dabei hätte doch gerade Günther alle Hände voll damit zu tun, die 300 Millionen Euro zu suchen, die er in der Northvolt Affäre zum Schaden des Bundeslandes versenkt hat.
Mit wohl fast allen Mitteln bis hin zur persönlichen Diffamierung wurde Lange gnadenlos attackiert und ein Kesseltreiben gegen sie entfacht. Gestern trat Katrin Lange nun zurück. Als Grund nannte sie, dass auch innerhalb der SPD mit Diffamierungen und Unterstellungen gearbeitet werde, die bis ins Persönliche gingen. Diesen Umgang „von denjenigen, die sonst ständig von Respekt, Toleranz und Wertschätzung reden, bin ich nicht länger bereit zu akzeptieren.“
Es wundert nicht, dass ausgerechnet die Linke (SED) angesichts ihrer großen historischen Erfahrung in Fragen der politischen Polizei fordert: „Deshalb muss Dietmar Woidke sich jetzt öffentlich beim ehemaligen Verfassungsschutz-Chef Müller entschuldigen und ihn wieder einstellen. Nur so kann weiterer Schaden abgewendet werden.“ Schaden für wen? Schaden für die Demokratie? Oder doch wohl eher Schaden für die Linke, die den Systemwechsel zum Sozialismus anstrebt, wie sie gerade selbst erklärte.
Und auch die nicht mehr im Parlament vertreten Verbotspartei „Die Grünen“ verlangen: „Wir fordern die Wiedereinsetzung von Jörg Müller als Leiter des Brandenburger Verfassungsschutzes.“
Wenn Linke (SED) und Grüne so vehement Müllers Wiedereinsetzung fordern, indiziert das, in welchem Sinne Müller tätig war. Linke (SED) und Grüne mögen ihm vertrauen, SPD und CDU hoffen, dass er ihnen die politische Konkurrenz mit den Mitteln der politischen Polizei vom Halse hält.
Bei Tagesspiegel und PNN knallten wohl die Sektkorken: mission completed, sie jubelten zumindest, dass Ministerpräsident Dietmar Woidke „sich nun wohl nach einer anderen Nachfolgerin oder einem Nachfolger umschauen muss“. Woidke selbst steht geschwächt da. Nachfolger oder Nachfolgerin dürften aus dem linken Lager der SPD kommen. Die besten Tage der Brandenburg-Partei sind gezählt, sie wird sich nur über ein erfolgreich durchgehendes Parteienverbot noch an der Macht halten können. Es war nicht den Linken in der SPD, sondern vor allem Woidke zu verdanken, dass er die Wahl für die Brandenburger SPD entschieden hatte. Die SPD hatte auf Woidke gesetzt und plakatiert: wer Woidke will, muss SPD wählen. Doch wer SPD wählt, hat sich für eine Vergangenheit entschieden, die verblasst.
Wir stehen jedenfalls am Rubikon: aus dem Verfassungsschutz droht der Gesinnungsschutz zu werden. Katrin Lange kritisierte, dass der Verfassungsschutz die Veröffentlichung des Einstufungsvermerks ablehne: „Eine solche Geheimniskrämerei möchte ich nicht verantworten, denn nur eine informierte Öffentlichkeit kann das Handeln der Regierung kritisch hinterfragen.“
Die zum Rückzug genötigte Innenministerin hat recht, wenn sie sagt: „Politische Herausforderungen sollten in einer Demokratie in erster Linie politisch beantwortet werden. “ Sie spielte darauf an, dass die SPD viele Wähler an die AfD in Brandenburg verloren hätte. „Bei 5 Prozent könnte man darüber hinwegsehen, aber bei 30 Prozent wird das langsam schwierig.“
Sie sei nicht bereit, ein Drittel der Wähler politisch abzuschreiben. „Es ist ein kurzer Weg nach Sachsen und Thüringen. Manchen meiner Parteifreunde wird das vielleicht später auch einmal dämmern – aber dann wird es vielleicht zu spät sein“.
Und dann sagte sie wohl den wichtigsten Satz: „Ein solcher Weg wäre auch der Abschied von der freiheitlichen Tradition der ostdeutschen Sozialdemokratie im Gefolge der friedlichen Revolution von 1989. Für einen solchen Irrweg stehe ich nicht zur Verfügung. Ich lasse mich auch nicht verbiegen.“