Was einer möglichen schwarz-roten Koalition alles im Wege steht: Die Sprengstoffliste zwischen Union und SPD

vor 2 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Nach der Bundestagswahl 2025 ist wegen der sogenannten „Brandmauer“ im Grunde nur eine Regierungs-Koalition möglich: eine Angola- oder auch Albanien-Koalition. So jedenfalls könnte man ein Bündnis aus der schwarzen Union und der roten SPD entlang der bekannten Flaggen-Logik nennen.

CDU-Chef Friedrich Merz hat eine schnelle Regierungsbildung „bis Ostern“ angekündigt. „Eine schwarz-rote Koalition, das ist genau das, was wir wollen“, sagte Merz am Montag. SPD-Chef Lars Klingbeil versucht bereits, die Preis nach oben zu treiben: „Der Ball liegt bei Friedrich Merz und dann wird der Verlauf von Gesprächen entscheiden, ob eine Regierung zustande kommt. Aber ich will Ihnen auch sehr klar sagen: Wenn ich mir manche Äußerung von Friedrich Merz in den letzten Wochen, vielleicht sogar in den letzten Tagen anschaue, dann hat das die Gräben zur SPD nicht flacher, sondern eher tiefer gemacht.“

Dass eine Angola- oder Albanien-Koalition die einzig mögliche ist, heißt also noch lange nicht, dass sie auch kommen wird. Es gibt eine ganze Reihe an Themen und unterschiedlichen Positionen, die für politischen Sprengstoff zwischen CDU/CSU und der SPD sorgen könnte.

NIUS zeigt die Sprengstoff-Liste (eine kleine Auswahl) zwischen Schwarz und Rot:

Was Klingbeil ganz konkret meint mit den Merz-Äußerungen der letzten Tage und Wochen, ist eindeutig: der Wahlkampfabschluss von CDU und CSU im Löwenbräukeller in München. Da fuhr Merz zur Höchstform auf, stimmte vor der grölenden Masse den Abgesang linker Politik in Deutschland an: „Links ist vorbei. Es gibt keine linke Mehrheit und keine linke Politik mehr in Deutschland.“

Er werde wieder Politik für die Mehrheit der Bevölkerung machen, die gerade denke und „alle Tassen im Schrank“ habe und nicht „für irgendwelche grünen und linken Spinner auf dieser Welt“, polterte Merz weiter.

Für den SPD-Chef ein Affront: „Friedrich Merz macht auf den letzten Metern des Wahlkampfes die Gräben in der demokratischen Mitte unseres Landes nochmals tiefer. Kann man machen. Schlau ist es allerdings nicht“, schrieb er bei X. Nach der Wahlniederlage sprach Klingbeil davon die SPD wieder zur Volkspartei der linken Mitte machen zu wollen.

„Links ist vorbei“ und „Volkspartei der linken Mitte“, das passt eigentlich nicht zusammen. Mögliche Koalitionsverhandlungen starten also bereits mit einer Zielrichtungs-Hypothek.

Am ersten Tag seiner Amtszeit als Bundeskanzler will Friedrich Merz von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und die Bundespolizei anweisen lassen, Zurückweisungen an den Grenzen vorzunehmen, um die illegale Migration nach Deutschland gänzlich zu stoppen – Merz hatte dies zur Bedingung für eine mögliche Regierungsbildung gemacht. Sein Generalsekretär Carsten Linnemann hatte noch einen draufgesetzt: „Wenn wir die (Migrationswende) nicht haben und es gibt keinen Koalitionspartner, der da mitgeht, dann können wir halt nicht regieren.“

Ganz andere Töne hörte man da von SPD-Chef Lars Klingbeil, der sich noch diese Woche zum neuen Fraktionschef der SPD wählen lassen will und drauf und dran ist, der neue starke Mann bei den Sozialdemokraten zu werden: „Das ist mit der Sozialdemokratie nicht zu machen“, so Klingbeil auf die konkrete Frage von Bild nach Zurückweisungen an den Grenzen. Die SPD werde „nicht zulassen, dass Deutschland ein abgeschottetes Land mit seinen Grenzen ist. Diesen Weg werden wir nicht gehen“, sagte er weiter.

Es ist die härteste Sollbruchstelle: Der 5-Punkte-Plan von Friedrich Merz für eine Migrationswende, die Bedingung für eine Regierung sein soll, bei der sich die SPD jedoch sperren wird.

Es war der Versuch von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Altlast der SPD aus der Ära Schröder, das „Hartz IV“-System umzugestalten und mit einem neuen Namen frisch und neu erscheinen zu lassen. Doch es kam anders: Die Kosten sind aus dem Ruder gelaufen, die weniger strengen Regeln haben dafür gesogrt, dass noch weniger Menschen zurück in den Arbeitsmarkt gefunden haben und der Name „Bürgergeld“ ist insofern irreführend, als dass beinahe die Hälfte Menschen, die es bekommen, gar keine deutschen Staatsbürger sind.

Deswegen betone Friedrich Merz am Tag nach der Wahl auch: „Das Bürgergeld kann so nicht bleiben, das fängt beim Namen schon an.“

Merz betonte am Tag nach der Wahl, dass das Bürgergeld verändert werden müsse.

Auch die SPD hat in Nuancen eingesehen, dass beim „Bürgergeld“ Veränderungen nötig sind, allein schon um dem eigenen, ehemaligen Arbeiter-Klientel ein Gefühl der Gerechtigkeit für deren Fleiß zu vermitten. Streit ist jedoch programmiert, denn CDU und CSU werden viel härtere Maßnahmen, schärfere Sanktionen für Verweigerer und eine Umbenennung fordern, was weite Teile der Sozialdemokraten als unsozial ablehnen werden – die nächste Sollbruchstelle.

US-Präsident Donald Trump arbeitet an einer Friedenslösung für den Krieg in der Ukraine, hat jedoch bereits angekündigt, dass sich Europa um die Absicherung dieses Friedens wird kümmern müssen. Die Debatte um eine mögliche Entsendung auch deutscher Soldaten, um diesen Frieden abzusichern, ist im Endspurt des Wahlkampfes bewusst rausgehalten worden. Sobald sich die Frage jedoch konkret stellen wird, stellt, könnte die nächste Sollbruchstelle einer möglichen schwarz-roten Koalition zutagetreten.

Die Skrupel und Bedenken dürften in der SPD deutlich größer sein als bei CDU und CSU, mit Bundeswehrsoldaten die Befriedung des Konfliktes abzusichern. Noch hält auch Friedrich Merz das Thema aus der Debatte raus, betont, dass sich die Frage derzeit nicht stelle. Lange wird es jedoch nicht mehr dauern.

Karl Lauterbach will Gesundheitsminister bleiben. Mit seinem Sieg in der Direktwahl im Wahlkreis Leverkusen gehört Lauterbach zu den wenigen SPD-Abgeordneten, die die direkt gewählt worden sind, was ihn in seinem Plan bestärken dürfte.

Doch die Kritik an Lauterbach ist innerhalb und außerhalb von CDU und CSU riesig. CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge warf Lauterbach zuletzt „Realitätsverweigerung“ vor. Auch CDU-Chef Friedrich Merz ist wütend auf Lauterbach: Kurz vor der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD brauchte Lauterbach Merz mit den Nazis und Auschwitz in Verbindung – Lauterbachs Bitte um Entschuldigung schlug Merz öffentlich im Deutschen Bundestag aus. An der Personalie des Gesundheitsministers könnte es also zu heftigem Streit kommen.

Noch-Gesundheitsminister Karl Lauterbach – und bald wieder?

Apropos Karl Lauterbach: Er ist der Architekt der Cannabislegalisierung, die in Nordrhein-Westfalen zu einem mit Bomben und Folter geführten Bandenkrieg unterschiedlicher Gangs geführt hat. Vor allem die sogenannte „Mocro-Mafia“ hat es aus dem Niederlanden nach Deutschland verschlagen, offenbar um sich gewaltsam Verkaufsmöglichkeiten zu beschaffen.

Denn: Karl Lauterbach hat mit dem Gesetz der Ampel zwar dafür gesorgt, dass es eine legale Nachfrage nach Cannabis gibt, jedoch ohne zeitgleich für ein legales Angebot zu sorgen, das nicht von Kriminellen, die sich zur Not bekriegen, versorgt wird.

Die Union will die Cannabislegalisierung wieder rückgängig machen. „Wir wollen als Union einen Neustart, wir wollen eben nicht kiffen, wir wollen keine Ideologie, wir wollen Sicherheit und Ordnung“, so Tino Sorge. Es wäre eine herbe Niederlage für die SPD, dieses Prestige-Projekt bei jungen, links-liberalen Wählergruppen aufgeben zu müssen.

Unter SPD-Kanzler Scholz wurde das Staatsbürgerschaftsrecht geändert, in das „modernste Einbürgerungsrecht der Welt“, wie Scholz immer wieder frohlockte. Ausländer können bereits nach 3 statt bisher 5 Jahren deutsche Staatsbürger werden, wenn sie gewinne Kriterien erfüllen. Die normale Frist ist von 7 auf 5 Jahre herabgesetzt worden.

CDU und CSU sprechen hingegen von „Blitzeinbürgerung“, die sie nach Amtsantritt schleunigst wieder rückgängig machen wollen.

Wer mit der SPD über eine Koalition verhandelt, steigt auch mit den Jungsozialisten, der Jugendorganisation der SPD, ins Bett. 2018 wollte der damalige Juso-Chef Kevin Kühnert eine zweite „Große Koalition“ unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel verhindern und wäre auch beinahe erfolgreich gewesen. Die Macht der Jungsozialisten ist nicht zu unterschätzen.

Juso-Chef Philipp Türmer bei einer Demo gegen Rechts vor der CDU-Zentrale

Auch jetzt haben die Jusos bereits Forderungen an ein mögliches Bündnis gestellt:

Zurückweisungen an der deutschen Grenze lehnen auch sie ab, zudem solle sich Friedrich Merz klein machen und eingestehen, dass die gemeinsame Abstimmung mit der AfD für eine Migrationswende ein „schwerwiegender Fehler“ gewesen sei, den er nicht mehr wiederhole. Ab 2026 müsse ein Mindestlohn von 15 Euro eingeführt werden, während die Steuern für das reichste Prozent angehoben werden müssten, um die unteren 95 Prozent zu entlasten. Parallel dazu solle die Schuldenbremse verändert werden.

All das Genannte (mit Ausnahme der Schuldenbremse vielleicht, wie Merz am ersten Tag der nach der Wahl andeutete) schließt die Union kategorisch aus. Streit: zu erwarten.

Die Ampel hat die Zahl der sogenannten „Sonderbeauftragten“ inzwischen auf 43 ausgeweitet – darunter heftig kritisierte Posten wie die „Antidiskriminiserungsbeauftragte“ Ferda Ataman, die Deutsche als Kartoffeln beschimpfte und Schreiben mit Bußgeldvorschlägen in ein Damenfitnessstudio schickte, welches einen biologischen Mann im Frauen-Schutzraum nicht trainieren und duschen lassen wollte. Auch der in der Ampel-Zeit geschaffene Posten des Polizeibeauftragten wird von der Polizei als Ausdruck des Unvertrauens in die Beamten kritisiert.

Auch dieser Entwicklung wollen CDU und CSU ein Ende setzen, wogegen sich die SPD wehren wird.

Die Liste der Streitpunkte und (eigentlich) unüberbrückbaren Gräben zwischen Union und SPD sind äußerst tief und sind in den ersten Stunden seit Wahlausgang eher tiefer als flacher geworden. Fest steht schon jetzt: Beide Parteien werden eine Menge Wahlversprechen brechen, eine Menge Wähler enttäuschen müssen, wenn sie tatsächlich gemeinsam eine Angola-Regierung bilden wollen. Und es ist noch nicht ausgemacht, dass diese Regierung – nur weil sie die einzig mögliche ist – auch wirklich kommen wird.

Denn die Sprengstoff-Liste ist lang.

Mehr NIUS: Schuldenbremse und Grenzschließung: Die doppelte Merz-Wende zeigt, wie schwierig die Verhandlungen mit der SPD werden

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