
Weil er eine Karikatur von Robert Habeck verbreitet haben soll, musste sich ein Berliner Arzt vor Gericht verantworten – das Verfahren wurde nach nur wenigen Minuten eingestellt. Angezeigt wurde das Bild offenbar aus einem Ministerium der Grünen. Vor Gericht wurde jetzt aber nicht einmal geklärt, ob der Arzt das Bild selbst veröffentlicht hatte.
Bei der besagten Karikatur handelte es sich um eine in der Facebook-Gruppe „Corona Diktatur“ im Oktober 2022 geteilte Zeichnung. Inspiriert war das Bild von einem Propagandaplakat aus der Zeit des Nationalsozialismus, wobei anstelle des dort verwendeten Hakenkreuzes das Grünen-Logo zu sehen war. Zudem wurde die ursprüngliche Überschrift „Ein Volk hilft sich selbst“ durch die Worte „Frieren für den Endsieg“ ersetzt und das Plakat um ein Porträt von Habeck ergänzt.
Der 76-jährige Arzt erhielt deshalb Post von der Staatsanwaltschaft: 3.000 Euro sollte er in 30 Tagessätzen bezahlen. Doch dagegen setzte er sich in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Tiergarten erfolgreich zur Wehr (Az. 255 Cs 1174/24). Vor Gericht erschien er der Berliner Zeitung zufolge mit einem Rucksack voller Akten, stellte sich selbstsicher der Richterin und erklärte, nicht die Person zu sein, die das Bild auf Facebook geteilt hatte.
Bei dieser Person handelt es sich um einen Nutzer namens „Jo Frieden“. Eine Mitarbeiterin des baden-württembergischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration, das von den Grünen geleitet wird, war offenbar auf das Konto aufmerksam geworden und hatte es bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet gemeldet, die bei der Staatsanwaltschaft Göttingen angesiedelt ist und spätestens durch die CBS-Sendung 60 Minutes Bekanntheit erlangt hatte (mehr dazu hier).
Zu dem betreffenden Facebook-Konto hätten mehrere Personen Zugang, erklärte der Arzt im Vorfeld der Verhandlung – die dann nicht wie geplant stattfand, weil die Staatsanwaltschaft die Einstellung „wegen geringer Schuld“ auf Kosten der Berliner Landeskasse vorgeschlagen hatte. Der Arzt willigte ein, von hier an wäre der Ablauf vor Gericht reine Formsache gewesen, doch er wollte noch etwas sagen.
Weder sei die in Rede stehende Karikatur eine Straftat, noch sei er der Täter, hielt der 76-Jährige dann vor Gericht fest. Eine seitenlange Erklärung schloss sich an, er verurteilte die Verbrechen des NS-Regimes, forderte die Prozessbeobachter sogar auf, mit ihm eine Schweigeminute für die Opfer des Holocausts abzuhalten und schloss seine Ausführungen letztlich nach 20 Minuten mit den Worten „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“ ab.
Dann wurde das Verfahren eingestellt, die in Rede stehende Karikatur kein einziges Mal gezeigt, noch deren strafrechtliche Relevanz weiter elaboriert. Nach der Verhandlung zeigte sich der Arzt der Berliner Zeitung zufolge unzufrieden, er habe einen Freispruch erwirken wollen, immerhin hätten die Anwälte und das ganze Verfahren nicht nur viel Geld, sondern auch Kraft gekostet.
Bereits im Vorfeld hatte der Arzt der Berliner Zeitung erzählt: „Der Staat mag mich nicht“. Auf seiner Webseite führt der 76-Jährige zahlreiche Links, etwa zur „Internationalen Leninistischen Strömung“ oder zu der linken Tageszeitung Junge Welt an, mitunter auch zu Theorien rund um die Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001. Dem Staat hatte der Arzt in der Vergangenheit schon häufiger Repression vorgeworfen und das „Ende der Demokratie“ gesehen.
Im Sommer 2022 hatte er wegen seiner Ansichten offenbar bereits eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen müssen. Damals hätten Polizisten seine Praxis um 6 Uhr morgens durchkämmt, erzählte der Arzt der Berliner Zeitung. Vier mobile Endgeräte sowie vier Laptops seien beschlagnahmt und erst zweieinhalb Jahre später wieder zurückerhalten worden. Die Gründe für die Durchsuchung nannte er nicht, klar ist jedoch: Der 76-Jährige ist nicht vorbestraft. Auch deshalb konnte das Verfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten jetzt eingestellt werden.