
Eine knappe halbe Stunde debattierte der Deutsche Bundestag am Donnerstagabend über einen Gesetzesentwurf der Regierung, der die Meinungsfreiheit weiter einschränken könnte. Justizminister Marco Buschmann persönlich warb für den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches“, dessen Ziel offiziell so heißt: „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften sowie von dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten.“
In seiner Rede sprach Buschmann von Polizisten, Feuerwehrleuten und Rettungssanitätern. Da diese immer öfter brutaler Gewalt ausgesetzt sind, sollen Gerichte die Möglichkeit bekommen, das Strafmaß zu erhöhen. Außerdem aber – und da wird es heikel – will die Bundesregierung in Buschmanns Worten jene Gewalt besonders schwer bestrafen, „deren Sozialschädlichkeit über die Schädigung des Opfers hinausgeht.“
Gemeint ist damit laut dem FDP-Politiker „Gewalt, die nicht nur dem einzelnen Opfer Schaden zufügen will, sondern die zum Ausdruck bringen will: Leute, hört auf, euch für das Gemeinwohl zu engagieren! Das ist Gewalt, mit der Angst und Schrecken verbreitet werden soll, damit sich Leute nicht mehr in der Tafel, in der Politik oder einer anderen dem Gemeinwohl nützenden Tätigkeit engagieren.“
Rettungskräfte sind immer öfter brutaler Gewalt ausgesetzt.
Zu diesem Zweck soll „die Regelung zur Strafzumessung“ in Paragraf 46 des Strafgesetzbuches dahingehend erweitert werden, „dass hinsichtlich der verschuldeten Auswirkungen der Tat auch solche in Betracht zu ziehen sind, die geeignet sind, eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.“
Buschmann sagte vor dem Bundestag nicht, dass laut dem Gesetzesentwurf auch Meinungsäußerungen eine solche besonders strafwürdige Gewalt sein könnten – sofern sie sich gegen Menschen richtet, „deren Tätigkeit für das demokratische Gemeinwesen und den Rechts- und Sozialstaat von zentraler Bedeutung sind.“
Zu solchen herausragend schutzbedürftigen Personen zählen „Amts- und Mandatsträger“ auf europäischer wie auf kommunaler Eben sowie „Ärztinnen und Ärzte“ und „Medienvertreter“. Mit dem neuen Gesetz würden also Journalisten, Stadt- und Landräte, aber auch Abgeordnete der Land- und Kreistage und des Europäischen Parlaments, ja alle „Berufspolitikerinnen und Politiker“ besonders geschützt werden vor „gemeinwohlschädlichen und demokratiefeindlichen Straftaten im analogen und digitalen Raum“.
Gemeinwohlschädlich kann, nimmt man den Gesetzesentwurf beim Wort, alles sein, was den betroffenen Politikern oder Journalisten als „Hass und Hetze“ erscheint. Das Gesetz wird ausdrücklich mit dem „großen Ausmaß an Hass und Hetze“ begründet. Der Verdacht liegt nahe, die schwammige Begründung wurde gewählt, um gewisse Politiker und Journalisten vor besonders harscher Kritik zu schützen. Aufhorchen lässt, dass die Bundesregierung und der Bundesjustizminister von „Sozialschädlichkeit“ und „gemeinwohlschädlichem“ Verhalten sprechen, sich also eines Vokabulars bedienen, das eher an autoritäre Regime erinnert.
Gemeinwohlschädlich kann, nimmt man den Gesetzesentwurf beim Wort, den Justizminister Buschmann vorstellte, alles sein, was den betroffenen Politikern oder Journalisten als „Hass und Hetze“ erscheint
Um, wie es wörtlich heißt, ein „gedeihliches Miteinander in der Gesellschaft“ zu erreichen, sollen Politiker vor solchen „Bedrohungen und Beleidigungen“ geschützt werden, die sie psychisch derart unter Druck setzen, dass sie sich in ihrer „Handlungs- und Entschließungsfreiheit“ beeinträchtigt sehen. Jede Kritik aber an politischen Maßnahmen zielt darauf ab, die Handlungen und die Einschätzungen des kritisierten Politikers zu ändern. Bemerkenswert ist auch, dass Menschen, die sich „im Themenfeld Flucht und Asyl“ engagieren, als herausragend schutzbedürftig aufgeführt sind.
Der Entwurf der Regierung, ein Teil des neuen „Sicherheitspakets“ der „Ampel“, wurde ebenso wie die deutlich milderen, die Meinungsfreiheit schonenden Entwürfe von CDU/CSU und AfD in die Ausschüsse verwiesen.
Lesen Sie auch: Buschmann zu Lob des Kalifats: Absurde Meinung ist nicht strafbar